17. September 2019 / Allgemein

Deutsche Spuren in Sibirien gefunden

Eine Reise mit unerwarteten Funden

Da staunte die Besuchergruppe des Droste-Hauses Verl bei ihrem Besuch in Sibirien nicht schlecht. Eine Frau, die als einzige in ihrem Dorf noch deutsch spricht, hütet alte Zeitungen der Russlanddeutschen aus dem Jahre 1900.
 
Nach einer längeren Pause besuchte eine Erwachsenengruppe des Droste-Hauses die Partner an der Pädagogischen Universität der Millionenstadt Krasnojarsk. Es erwartete sie vom 14.08. bis 24.08.19 ein dicht gepacktes Programm mit vielen Höhepunkten, das zum Teil von den Germanistikstudierenden, die im Frühjahr immer im Droste-Haus zu Besuch sind, durchgeführt. Nach einem langen Flug über Moskau wurden die Teilnehmer von ihren Gastfamilien in Empfang genommen. Die Unterbringung erfolgte in Familien, in der einer mindestens deutsch sprechen konnte. Es war eine interessante Erfahrung, das Alltagsleben der Menschen in einer sibirischen Millionenstadt zu erleben. Die Gastgeber gaben sich alle Mühe, den Gästen die Schönheiten der Stadt zu zeigen.
 
Dazu wurden zwei Mehrtagesreisen in die sibirische Landschaft unternommen. Zum einen ging es in das ländliche Dorf Sapasnoj Imbesch weitab von der Großstadt. Hier gab es schon frühere Kontakte des örtlichen Chores mit dem Droste-Haus. Die ehemaligen Deutschlehrerinnen und andere Frauen des Chores hatten einen überaus herzlichen Empfang vorbereitet und für den ganzen Tag ein Kulturprogramm mit Schülern und Künstlern veranstaltet. Später wurde ein "Deutsch-Russischer Abend" mit Festmahl, Singen, Aufführungen und Spielen durchgeführt. Am nächsten Tag fuhren die Gruppe und die Gastfamilien weit heraus zu einem neu eingerichteten Bauernhof am Fluss. Dort wurde der Hof besichtigt und ein opulentes Picknick mit Grillen am Waldrand organisiert. Es war sehr spannend zu sehen, wie sich hier fast 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion, das Leben verändert hatte. Alle Deutschstämmigen waren nach Deutschland ausgewandert. Die Kolchose, die früher allen Dorfbewohnern Arbeit gegeben hatte, war im freien Spiel der Wirtschaft fast aufgegeben worden. Statt Viehwirtschaft wurde jetzt nur noch auf einigen Flächen Ackerbau betrieben. Von anderen Flächen hatte der Wald wieder langsam Besitz ergriffen. Erst in letzter Zeit wurden einige wenige neue Bauernhöfe privat eingerichtet.
 
Ein interessantes, aber auch durchaus typisches Erlebnis waren die Gespräche mit einer deutsch-russischen Lehrerin aus dem Nachbardorf, die zum Dolmetschen eingeladen worden war. Sie berichtete, dass in ihrer Familie und auch in ihrer ganzen Umgebung heute niemand mehr deutsch spricht. Alle deutschstämmigen Verwandten und Bekannten waren in den letzten Jahren aus dem Dorf weggegangen, meistens nach Deutschland. Viele von ihnen hatten sich auch 50 oder 60 Jahre nach der Deportation im Kriege von der Wolga nach Sibirien dort nie richtig heimisch gefühlt. Sie berichtete, dass ihre Großmutter nicht noch einmal ein Dorf verlassen wollte. So waren sie und ihre Mutter bei ihr geblieben. Die Großmutter und auch ihre Mutter waren mittlerweile gestorben und so war sie allein übrig geblieben. Sie klang doch sehr wehmütig. Auch wusste sie mit alten deutschen Zeitungen, welche die Großmutter von der Donau nach Sibirien gebracht hatte, kaum etwas anzufangen. Sie überließ einem Teilnehmer Zeitungen aus dem Jahre 1900, in denen über Alltagsgeschichten rund um den christlichen Glauben und anderes berichtet wurde. Die Zeitungen, mit altdeutscher Schrift gedruckt, scheinen aus dem Raum Saratov an der Wolga zu stammen. Die Großmutter hat wohl bei Ihrer Deportation ein Stück Heimat in das ferne sibirische Dorf mitnehmen wollen.
 
Die zweite Tour ging dann mit dem Nachtzug und mit Schlafwagen der Transsibirischen Eisenbahn in den Süden in die Steppe. Hier in dem südlichen Zipfel, benachbart an die Mongolei, an China und an Kasachstan gibt es die Republik Chakassien. Dort gibt es überall in der Steppe Schamanen-Steine und Felsmalereien, die an die Blütezeit des chakassischen Turkvolkes vor der Invasion der Mongolen erinnern. Dabei findet man aber auch ältere Felsmalereien, die bis in die Jungsteinzeit zurückreichen. In der bergigen Landschaft, wo sonst nur Viehherden mit ihren Hirten wanderten, waren typische Jurten aus Holz mit Filzteppichen aufgestellt, in denen die Gruppe und andere Touristen übernachteten. In der Nähe gab es weitere Felsmalereien und Museen sowie abends ein Kulturprogramm. Den mehr als 500 km weiten Weg zurück ging es dann wieder mit Kleinbus und in der Nacht wieder mit dem Schlafwagen nach Krasnojarsk.
 
Wenn das Programm auch sehr anstrengend war, so hatten alle Teilnehmer doch intensive Erlebnisse und unvergessene Momente. Zurück in Deutschland wird das Erlebte erstmal verarbeitet und dem Freundes- und Bekanntenkreis berichtet.

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