22. Dezember 2019 / Allgemein

Wir wünschen Euch einen schönen 4. Advent

... und besinnliche Feiertage!

Adventsgeschichte Weihnachten

"Frohe Feiertage"

Als Kind habe ich die Feiertage herbeigesehnt. Wie jedes Kind war ich nicht gerade geübt in Geduld. Für mich hätte es nicht schnell genug Weihnachten werden können. Ich habe einen Kalender gehabt, einen Tannenbaum aus Stoff mit nummerierten und gefüllten Täschchen. Er hing an meiner Zimmertür und jeden Abend vor dem Schlafengehen musste ich mich zusammenreißen, um nicht hineinzusehen und mir die Überraschung nicht vorweg zu nehmen.

Diesen Kalender benutze ich nicht mehr. Er liegt, wie viele andere Andenken aus meiner Kindheit, auf dem Dachboden im Haus meiner Eltern. Jedes Jahr, wenn ich mich an den Feiertagen auf den Weg zu ihnen mache, die mehreren hunderte Kilometer, die zwischen uns liegen, hinter mich bringe, erinnere ich mich an solche kleinen Details.

Der Zug erreicht seinen nächsten Zielbahnhof. Nur wenige Menschen steigen hinzu. Ich hätte den Zug viel voller erwartet, doch die meisten müssen ihr Ziel bereits erreicht haben.
Die neuen Passagiere tragen ihre Reisetaschen herein. Sie haben bunte Tüten dabei und sich Geschenkboxen unter den Arm geklemmt. Manche von ihnen wirken müde, andere angenehm erlöst, als würde es gerade von der Arbeit in den wohlverdienten Feierabend gehen. Ein kleines Mädchen, das am Arm ihrer Mutter hängt, schaut aus großen Augen zu mir herüber. Es ist der Teddybär, den ich bei mir habe, der ihre Aufmerksamkeit erregt.

Der Zug fährt los und lässt den Bahnhof hinter sich. Das Mädchen und ihre Mutter nehmen im Vierersitz schräg gegenüber von mir Platz, legen ihre Jacken ab und machen es sich bequem. Ich will nicht aufdringlich erscheinen und wende den Blick von ihnen ab. Durch das Fenster kann ich die hereinbrechende Dunkelheit sehen, aus der sich die grellen Lichter der Stadt abheben. Ein kleiner Vorgeschmack auf die Lichter des geschmückten Weihnachtsbaums, der im Wohnzimmer meiner Eltern auf mich wartet, gleich in der Nähe des reichlich gedeckten Tisches. Es wird Braten darauf geben und Kartoffelsalat, dazu den selbstgemachten Punsch, der süß und klebrig ist und der sogar meinem wortkargen Vater ein paar Geschichten entlockt, die er sonst selten zum Besten gibt.

Mein Bruder und seine Frau werden ihr Neugeborenes mitbringen. Für den Kleinen wird es das erste Weihnachtsfest sein. Entsprechend sind alle aufgeregt und wollen es für ihn unvergesslich machen, selbst wenn er sich später nicht mehr daran erinnert wird. Doch jeder Eindruck zählt und irgendwas bleibt immer davon zurück. Auch ich trage Erinnerungen an jedes vergangene Weihnachten in mir. Manche von ihnen sind stärker präsent, andere nur etwas scheu. Manche glaube ich, vergessen zu haben, dabei warten sie nur darauf, von wir wiederentdeckt zu werden. Sie bilden meinen ganz persönlichen Weihnachtsfilm.

Die Dinge ändern sich. Auch ich bin nicht mehr das Kind, das in die Türchen des Stoffkalenders greift. Doch alles bleibt vertraut und heimelig und darauf kommt es an.

Als der Schaffner meine Haltestelle durchsagt, ziehe ich meinen Mantel an. Ich lege mir meinen schweren Rucksack um und greife mir den Teddybären, der bald schon an der Seite meines Neffen wachen wird.

„Frohe Feiertage“, wünsche ich dem Mädchen und ihrer Mutter beim Vorübergehen.

„Frohe Feiertage“, erwidern sie.

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