20. Februar 2023 / Aus aller Welt

«Im Westen nichts Neues» räumt bei den Baftas ab

Das deutsche Kriegsdrama «Im Westen nichts Neues» ist der große Gewinner bei den Britischen Filmpreisen und stellt sogar einen Rekord auf. Auch Cate Blanchett und Austin Butler freuen sich über Baftas.

James Friend (l-r), Malte Grunert und Edward Berger posieren mit ihren Bafta-Trophäen.
von dpa

Das für neun Oscars nominierte deutsche Kriegsdrama «Im Westen nichts Neues» hat drei Wochen vor der Preisverleihung in Los Angeles bei den als Baftas bekannten Britischen Filmpreisen abgeräumt und ist als Bester Film ausgezeichnet worden. Der Film von Regisseur Edward Berger holte am Sonntagabend in London insgesamt sieben der Bafta-Trophäen, so viele wie kein nicht-englischsprachiger Film zuvor. «Was für ein Abend, ich kann es nicht glauben», schwärmte Berger, der auch den begehrten Preis als Bester Regisseur erhielt.

«Es ist ein deutscher Film um Gottes Willen, wer stimmt denn dafür?», scherzte der 53-Jährige. In der anschließenden Pressekonferenz kam Berger beim Zählen der Auszeichnungen durcheinander. «Ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Aber es sind sehr viel mehr, als wir erwartet hatten.» Die Neuverfilmung des Romans von Erich Maria Remarque wurde auch als Bester Nicht-englischsprachiger Film prämiert. Außerdem bekam der Film über die Schrecken des Ersten Weltkrieges Preise für Kameraarbeit, Adaptiertes Drehbuch und Sound.

«Leider der richtige Film zur richtigen Zeit»

Volker Bertelmann alias Hauschka erhielt einen Bafta für seine Filmmusik. «Ich bin erst spät dazu gekommen», erzählte der Komponist. «Als ich den Film gesehen habe, war er schon so gut, dass ich mir unsicher war, ob er überhaupt Musik brauchte.» Schließlich entschied sich Bertelmann, für den Soundtrack ein Harmonium zu nutzen, das er von seiner Urgroßmutter bekommen hatte. Den Klang des Instruments verzerrte er nachträglich. «Edward hat gesagt, es klingt ein bisschen wie Led Zeppelin», scherzte er. «Ich nehme das als Kompliment.»

Britische Medien äußerten sich erstaunt über den Erfolg des deutschen Kriegsepos. «Obwohl der Film sehr gemocht und geschätzt wird, galt er nie als ernsthafter Anwärter», schrieb die Zeitung «The Times».

Kulturstaatsministerin Claudia Roth teilte am Montag mit: «"Im Westen nichts Neues" ist schon jetzt einer der größten Erfolge der deutschen Filmgeschichte, zu denen ich den Filmemacherinnen und -machern herzlich gratuliere.» Die Filmemacher hätten einen Nerv getroffen, sagte die Grünen-Politikerin. «Es ist leider der richtige Film zur richtigen Zeit, denn er thematisiert auf erschütternde Weise die Schrecken eines Krieges mitten in Europa.»

Cate Blanchett kämpfte mit den Tränen

Cate Blanchett («Tár») setzte sich als Beste Hauptdarstellerin unter anderem gegen die favorisierte Michelle Yeoh («Everything Everywhere All At Once»), Viola Davis («The Woman King») und Emma Thompson («Good Luck to You, Leo Grande») durch. Die australisch-amerikanische Schauspielerin war überwältigt und kämpfte bei ihrer Dankesrede mit den Tränen. Im Film spielt sie die fiktive Chefdirigentin eines deutschen Orchesters, deren Leben auseinanderbricht. «Die Figur könnte kaum weiter von meinen eigenen Erfahrungen entfernt sein», sagte die 53-Jährige.

Topfavorit Colin Farrell ging leer aus

In der traditionsreichen Londoner Royal Festival Hall direkt am Südufer der Themse gab es weitere Überraschungen. Bei den Männern freute sich Austin Butler («Elvis») über den Bafta als Bester Hauptdarsteller. Sichtlich bewegt dankte er der Familie von Elvis Presley für ihr Vertrauen. Für Baz Luhrmanns Biopic gab es insgesamt vier goldene Masken-Trophäen, auch für Casting, Kostüme sowie in der Kategorie Make-up und Haar. Bereits bei den Golden Globes war «Elvis» erfolgreich. Kurz darauf war Presleys Tochter Lisa Marie überraschend gestorben.

Topfavorit Colin Farrell hatte alle Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Er ging für «The Banshees Of Inisherin» zwar leer aus, doch immerhin erhielt die hoch gehandelte Tragikomödie des irischen Filmemachers Martin McDonagh noch vier Baftas - für die beiden Nebendarsteller Kerry Condon und Barry Keoghan und für das Beste Originaldrehbuch. Dass der durch und durch irische Film auch als Herausragender Britischer Film prämiert wurde, sorgte für Amüsement. «Was für ein Award?», scherzte McDonagh und klärte dann auf, dass sein Film durch den britischen Sender Channel 4 finanziert wurde.

Bevor Condon ihre Trophäe erhielt, kam es zu einem peinlichen Fauxpas im Saal, als fälschlicherweise Carey Mulligan («She Said») als Beste Nebendarstellerin verkündet wurde. Zwar war der Fehler bei der zeitverzögerten TV-Übertragung nicht mehr zu sehen, allerdings zeigte der Sender BBC dort zuerst Angela Bassett («Black Panther: Wakanda Forever») und erst mit Verspätung Gewinnerin Condon.

Musical «Pinocchio» bekommt einen Preis

Enttäuschend verlief der Abend auch für die Macher des Fantasyhits «Everything Everywhere All At Once». Der verrückte Film, der in zehn Kategorien im Rennen war und für elf Oscars nominiert ist, erhielt in London nur einen einzigen Bafta-Award für den Schnitt.

Mit großer Freude nahm hingegen der mexikanische Filmemacher Guillermo Del Toro für sein Stop-Motion-Musical «Pinocchio» den Bafta in der Rubrik Animationsfilm entgegen. «Animation sollte weiter im Gespräch bleiben», sagte Del Toro.

Die in London ansässige British Academy of Film and Television Arts besteht seit 76 Jahren. Moderiert wurde die glamouröse Preisverleihung, zu der zahlreiche internationale Stars angereist waren, von dem britischen Schauspieler Richard E. Grant («Can You Ever Forgive Me?»), der in der Royal Festival Hall scherzhaft um Rollenangebote warb.

Vor den Augen von Thronfolger Prinz William und Ehefrau Prinzessin Kate würdigte Dame Helen Mirren die im vergangenen September verstorbene Königin Elizabeth II. Die 77-jährige Mirren hatte 2007 für ihre Rolle als Elizabeth in dem Drama «The Queen» unter anderem einen Bafta und einen Oscar als Beste Hauptdarstellerin erhalten.

Die Bafta-Awards zählen nach den Oscars und den Golden Globes zu den begehrtesten Auszeichnungen der Branche. Nachdem ihr Film bei den Golden Globes leer ausgegangen war, dürften Edward Berger und sein Team nun gespannt auf die Oscars warten. Dort ist «Im Westen nichts Neues» unter anderem als Bester Film und als Bester Internationaler Film nominiert. Zwar waren die Baftas in den vergangenen Jahren nur selten ein Indiz für die Oscars. Aber die Chancen stehen gut, dass das Kriegsdrama auch in Los Angeles etwas mitnimmt.


Bildnachweis: © Ian West/PA Wire/dpa
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