7. Dezember 2021 / Aus aller Welt

Bundesanwaltschaft fordert lebenslang für Mord an Georgier

Es war Auftragsmord, davon ist die Bundesanwaltschaft überzeugt. Der Tod eines Georgiers tschetschenischer Abstammung in Berlin könnte der neuen Bundesregierung eine diplomatische Krise bescheren.

Ein Polizeibeamter in Berlin sichert nach der Erschießung eines Georgiers tschetschenischer Abstammung 2019 den Tatort.
von Marion van der Kraats und Michael Fischer, dpa

Die Bundesanwaltschaft hat keinen Zweifel: Die Erschießung eines Georgiers tschetschenischer Abstammung im Sommer 2019 mitten in Berlin war ein Auftragsmord.

Es handele sich um eine politisch motivierte Tat, sagte Bundesanwalt Nikolaus Forschner am Dienstag vor dem Berliner Kammergericht und forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der 56 Jahre alte Angeklagte habe auf deutschem Boden einem «staatlichen Tötungsauftrag» Folge geleistet. «Das stellt das Gewaltmonopol in Frage», so Forschner.

Sollte das Gericht dieser Argumentation im Urteil folgen, könnte das die deutsch-russischen Beziehungen kurz nach dem Amtsantritt einer neuen Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) erschüttern.

Politischer Hintergrund

Bei der Tat am 23. Augst 2019 in der Parkanlage Kleiner Tiergarten ging es nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft um Vergeltung - für die Beteiligung des Georgiers am zweiten tschetschenischen Krieg und dessen «Feindschaft zum russischen Staat». Der 40-Jährige war von russischen Behörden als tschetschenischer Terrorist eingestuft worden.

Der Angeklagte habe sich «in den Dienst einer Mission» gestellt, so Forschner in seinem mehrstündigen Plädoyer, das er gemeinsam mit seinem Kollegen Lars Malskies hielt. Sie beantragten zudem, die besondere Schwere der Schuld festzustellen, was eine Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausschließt.

Die höchste deutsche Anklagebehörde hatte den Fall wegen des vermuteten politischen Hintergrundes übernommen. Nach rund 14 Monaten Verhandlung vor einem Staatsschutzsenat unter strengen Sicherheitsvorkehrungen sieht sie sich bestätigt. Knapp 50 Zeugen wurden befragt, zehn Sachverständige gehört, etliche Rechtshilfeersuchen gestellt, um die Hintergründe der Tat zu klären. Im Fokus stand vor allem aber die Frage nach der Identität des Angeklagten.

Scheinidentität mit Alias-Name

Der Beschuldigte selbst hatte zu Beginn des Prozesses über seine Anwälte erklären lassen, er heiße Vadim S., sei 50 Jahre alt und Bauingenieur. Verbindungen zum russischen Staat und dem Geheimdienst FSB bestritt er. Doch für die Bundesanwaltschaft gibt es keinen Zweifel: Bei dem dunkelhaarigen, kräftigen Mann handelt es sich um den 56-jährigen russischen Offizier, dem weitere Auftragsmorde im Ausland zugeordnet werden.

Für die Tat soll er eine Scheinidentität bekommen haben und am Tag vor der tödlichen Attacke mit Alias-Namen nach Berlin gekommen sein. Am Tattag habe er sich dann auf einem Fahrrad von hinten dem arglosen dem Opfer in der Berliner Parkanlage Kleiner Tiergarten genähert, so die Bundesanwälte. Aus nächster Nähe habe er zwei Schüsse mit einer Schalldämpfer-Pistole auf den Mann abgegeben, als dieser am Boden lag, schoss er ihm demnach in den Hinterkopf. «Das kommt einer Hinrichtung gleich», erinnerte Forschner an Aussagen von Zeugen. Der 40-Jährige, der seit Ende 2016 als Asylbewerber in Deutschland lebte, starb am Tatort.

Der mutmaßliche Täter wurde noch am selben Tag gefasst und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. An diesem Mittwoch (11.00 Uhr) wird der Prozess mit den Plädoyers der Nebenkläger fortgesetzt. Noch vor Weihnachten wäre nun ein Urteil möglich.

Botschaftsmitarbeiter ausgewiesen

Sollte das Gericht in seinem Urteil der Bundesanwaltschaft folgen, wäre eine Reaktion der Bundesregierung wohl unausweichlich. «Für den Fall, dass es entsprechende Feststellungen in diesem Urteil gibt, muss man damit rechnen, dass wir darauf auch noch einmal reagieren werden», hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) im vergangenen Jahr bei einem Besuch in Moskau angekündigt.

Erste Konsequenzen hatte die Bundesregierung schon gezogen, nachdem der Generalbundesanwalt vor zwei Jahren die Ermittlungen aufgenommen hatte und der russischen Regierung mangelnde Kooperation vorwarf. Zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin wurden deswegen ausgewiesen, was den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf einer Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Paris zu einem regelrechten Wutausbruch veranlasste. Er nannte den ermordeten Georgier, der in der russischen Teilrepublik Tschetschenien auf Seiten der Separatisten gekämpft haben soll, einen «Banditen» und «Mörder».


Bildnachweis: © Christoph Soeder/dpa
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