15. Juli 2021 / Aus aller Welt

Corona: Einige Mutanten dürften noch kommen

Nichts Genaues weiß man nicht - das gilt auch für den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie. Doch ein paar Einschätzungen geben Experten auf die Frage, was noch kommen mag.

Eine rote «Schmelzkurve» zeigt auf einem Monitor im Labor von Bioscientia die «Delta-Variante» des Virus.
von Marco Krefting, dpa

Epsilon, Lambda, Pi oder Omega: Das griechische Alphabet hält noch 20 Buchstaben bereit, die nach Delta folgen.

Obwohl etwa die Varianten Epsilon und sogar Lambda bereits existieren, reicht das Alphabet noch eine Zeit lang aus, sollte das Coronavirus weiter mutieren und neue relevante Mutanten hervorbringen. Doch wie kann es aus virologischer Sicht weitergehen?

Die Antwort auf diese Frage gleicht einem Blick in die Glaskugel. Dennoch wagen einige Forscher Prognosen und sind sich vor allem in einem Punkt sicher: Das Coronavirus wird sich weiter verändern. Allerdings geht der Präsident der Gesellschaft für Virologie, Ralf Bartenschlager, davon aus, dass die Zahl der Varianten «überschaubar» bleibt. Man könne jedoch noch nicht sicher sagen, ob noch relevante Mutanten folgen.

Im Vergleich zu anderen Viren mutiere Sars-CoV-2 langsam, sagt der Professor für Molekulare Virologie an der Uni Heidelberg. Das liege am relativ großen Genom. «Wenn das Genom lang und länger wird, kann man sich nicht mehr viele Fehler erlauben», so Bartenschlager. Die Enzyme des Virus müssten sehr genau arbeiten, viele Fehler würden repariert.

Auch Richard Neher von der Uni Basel ist sicher: «Das Virus wird sich kontinuierlich weiterentwickeln, wie wir das von anderen Coronaviren des Menschen oder von Grippe auch kennen.» Coronaviren aus dem Tierreich seien vor allem in der Region des Spike-Proteins, das außen sitzt und wichtig für die Infektion ist, sehr variabel. Somit sei kein natürlicher Stopp zu erwarten. «Aber wie diese Evolution die Eigenschaften der Viren verändert und wie viel Spielraum das Virus in dieser Hinsicht hat, ist im Moment nicht klar», so der Biophysiker.

Das Spike-Protein sei der Teil des Coronavirus, der die wichtigste Rolle bei der Verbreitung spielt, da es mit Hilfe dieses Proteins in Wirtszellen eindringe und Antikörper des Immunsystems das Oberflächenprotein erkennen könnten. «Über die Effekte anderer Mutationen ist sehr viel weniger bekannt», erläutert Neher. Auch Bartenschlager räumt ein, dass diese im Moment nicht so sehr untersucht würden wie Veränderungen am Spike-Protein.

Klaus Überla vom Virologischen Institut am Universitätsklinikum Erlangen erklärt, auch Mutationen anderer viraler Proteine könnten die Übertragbarkeit erhöhen. «Stellen Sie sich vor, eine Mutation hilft dem Virus der Erkennung durch das angeborene Immunsystem zu entgehen. Die Folge könnte eine höhere Virusbeladung und damit eine höhere Übertragbarkeit sein.» Dieser Teil des Immunsystems reagiert rasch und recht unspezifisch auf Erreger und Fremdstoffe.

Wie gefährlich zukünftige Mutanten sind, ist Überla zufolge nicht vorhersagbar. «Der wesentliche Selektionsdruck ist die Übertragbarkeit», erläutert er. «Eine bessere Übertragbarkeit kann mit harmloseren oder schweren Krankheitsverläufen einhergehen.» Bartenschlager sagt immerhin: «Je besser sich Viren an den Wirt anpassen, desto geringer ist in der Regel der Schaden für den Wirt.» Die Regel gelte aber auch nicht immer, betont der Fachmann.

Neher geht davon aus, dass in den kommenden Jahren die sogenannte Immunevasion die relevantere Komponente wird. Dabei führen Mutationen dazu, dass die Viren dem Immunsystem leichter entkommen.

Denkbar sind laut Bartenschlager auch sogenannte Rekombinationen zweier Corona-Typen. «Wenn zwei Varianten eine Zelle infizieren, kann es sein, dass es zum Austausch von Genstücken kommt», erklärt der Virologe. Er spricht von Chimären - in der Biologie ein Organismus aus genetisch unterschiedlichen Zellen, in der Mythologie Mischwesen wie Sphinx, Zentauren oder Meerjungfrauen. Allerdings sagt Bartenschlager auch, das sei bislang bei Sars-CoV-2 noch kein Thema.


Bildnachweis: © Boris Roessler/dpa
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