23. Oktober 2025 / Aus aller Welt

Die Ho-Ho-Hochschule: Hier werden Weihnachtsmänner gemacht

Es ist erst Herbst – aber für angehende Weihnachtsmänner beginnt bereits die heiße Phase. Bei einer Schulung feilen sie an Stimme, Auftritt und Kostüm – alles für leuchtende Kinderaugen im Dezember.

Bastian Kluth, einer der Teilnehmer der Weihnachtsmann-Schulung, zeigt sein Kostüm.
von Jonas-Erik Schmidt, dpa

Wenn zehn Männer im Hinterraum einer Kneipe zusammensitzen und besprechen, wie man möglichst unerkannt in fremde Häuser eindringt, klingt das zunächst nach einem Mafia-Film. Doch Stefan Dößereck – der Wortführer – und seine Kollegen haben keinerlei finstere Pläne, wie schnell klar wird – sondern das genaue Gegenteil. Statt auf einen Paten wird die Runde auf einen sympathischen älteren Herren eingeschworen, der Kinderaugen zum Leuchten bringt. «Wir wissen, wie der Weihnachtsmann aussieht. Wir wissen, wann er kommt. Und wir wissen, was er macht», sagt Dößereck. «Sollen uns die anderen mal beweisen, dass es ihn nicht gibt.»

Es ist eine Art Glaubensbekenntnis, das am Anfang jeder seiner Kurse steht. Dößereck lehrt seit Jahren, wie man einen guten Weihnachtsmann verkörpert. Ein bisschen Rest-Glaube an den Rauschebart-Träger sollte schon vorhanden sein, findet er – nur so könne man auch sein «Helfer» sein.

An diesem ausgesprochen herbstlichen Oktobernachmittag haben Dößereck und sein Kollege Markus von Juterczenka in eine Gaststätte nach Düsseldorf-Unterrath zu einer Weihnachtsmann-Schulung eingeladen. Angehende Weihnachtsmänner können sich hier auf ihre Mission vorbereiten oder – sofern bereits Erfahrung im Ho-Ho-Ho-Business vorhanden ist – am Rüstzeug feilen. 20 Euro kostet ein Platz. Am Ende gibt es ein Diplom.

Wenn man fragt, warum man schon im Oktober für Weihnachten üben muss, sagt der Kurs-Leiter: «Die Feuerwehr übt das Löschen auch bevor es brennt.» Während vorn in der Kneipe Altbier-Dunst durch die Luft wabert, riecht es im separierten Schulungsraum nach Lebkuchen.

Es heißt «Gewand» – nicht Kostüm

Inhalt der Schulung sind Tipps zum Auftreten und Sprache – und auch die Kostümkunde. Was gehört dazu? Was nicht? Ein- oder Zweiteiler? Wobei Markus von Juterczenka rasch warnend die Hand hebt – er spricht lieber von «Gewand» als von «Kostüm». «Das Wort Kostüm mag ich nicht. Kostüm ist Karneval – und wir feiern keinen Karneval.»

Das Kostüm-Thema – nein, Gewand! – eröffnet er zudem mit einem didaktischen Kniff: Er zeigt ein Schock-Beispiel. Von einem Haken holt er eine Art rotes Ganzkörper-Leibchen mit Fusselbart – so etwas Scheußliches gebe es im Internet für fünf bis sieben Euro. «Gerade in der Adventszeit gibt es inflationäre Ausstattungsmöglichkeiten», warnt Kollege Dößereck. Auf keinen Fall aber sollte man damit Menschen gegenübertreten. Der Weihnachtsmann werde so nur zur Lachnummer und – das ist der Punkt – verliere Glaubwürdigkeit.

Überlebenstipps für Weihnachtsmänner

Dößereck ist vor 30 Jahren erstmals als Weihnachtsmann aufgetreten, für sein Patenkind und Nachbarskinder. Es lief ganz gut – zumindest sei aus allen Kindern «etwas geworden», versichert er. Seitdem lässt ihn das Thema nicht mehr los. Er hat einen Weihnachtsmann- und Nikolaus-Service aufgebaut, der Auftritte vermittelt. Nikolaus kann er nämlich auch. Im Fußball würde man ihn als beidfüßig bezeichnen.

Aus seinem reichen Erfahrungsschatz gibt er nun handfeste Tipps weiter. Etwa, bei Firmen-Weihnachtsfeiern unbedingt einen frühen Zeit-Slot zu wählen. Die Wirkung des Alkohols im Publikum ist dann für den Weihnachtsmann noch beherrschbar. Achtet man nicht darauf, kann es passieren wie einst bei Dößereck, der mal quer durch den Raum mit den Worten «Jetzt kommt die Scheiße auch noch!» empfangen wurde. «Am Ende gab es aber ein großes Lob vom Chef, wie ich den Herrn freundlich eingefangen habe», sagt er.

Wenn man ihn fragt, was einen guten Weihnachtsmann ausmacht, sagt er, dass man mehrere Jobs vereinen müsse: Schauspieler, Psychologe und auch Kurier-Fahrer, denn man ist viel unterwegs. Und man müsse Freundlichkeit mit natürlicher Autorität verbinden können. Der Weihnachtsmann und der Nikolaus bräuchten «Richtlinienkompetenz», sagt Dößereck. So wie ein Bundeskanzler.

Eine Männer-Domäne

Manche Kursteilnehmer bringen viel Erfahrung mit. Etwa Peter aus Bottrop, der schon seit 1991 unterwegs ist und sich «Revierweihnachtsmann» und «Reviernikolaus» nennt. Ein anderer, Eric, hat den Job «erst zwei-, dreimal» im Schützenverein gemacht. Für jeden aber erkennbar besitzt der 66-Jährige großes Potenzial. Weißes Haupthaar und Bart wirken so perfekt, dass man ihn sowohl als Weihnachtsmann als auch als Käpt’n Iglo besetzen könnte.

Dass die Weihnachtsmann-Branche eher ein Männer-Business ist, ist offensichtlich. Wobei: Frauen habe es durchaus schon in der Schulung gegeben, sagt Ober-Weihnachtsmann Dößereck. Das Problem sei aber, dass sie nicht angefragt würden. «Oder wenn sie angefragt werden, dann leider immer so in Richtung "sexy Weihnachtsfrau".» Das ist mit ihm nicht zu machen.

Mit Technik-Tricks zum Erfolg

Die Weihnachtsmann-Bubble ist eine eigene Welt – mit ganz speziellen Fragen, die man in keinem normalen Job findet. Kursteilnehmer Bastian will etwa wissen: Stört es die Polizei, wenn man mit Zipfelmütze und Rauschebart Auto fährt? Ist ja denkbar zwischen zwei Auftritten. Peter rät prompt zu Gelassenheit. Er habe schon im vollen Ornat an einer Ampel neben einem Polizeiauto gehalten. «Die machen da nix!»

Überhaupt kann man von Peter viel lernen. Auch, wie man den Bischofsstab, der zum Nikolaus gehört, an Kindern vorbeischmuggelt. «Ich habe jetzt einen, den man in der Mitte auseinanderschrauben kann. So passt er in die Tasche», erklärt er. Vor dem Auftritt dreht er die Teile einfach wieder zusammen. «Auch wenn ich mich dabei fühle wie bei der Mafia, beim Aufschrauben eines Zielfernrohrs.»

Ein kleines bisschen Mafia-Wissen ist also doch im Raum.


Bildnachweis: © Thomas Banneyer/dpa
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