9. September 2022 / Aus aller Welt

Die Queen und das Commonwealth - Hat der Bund eine Zukunft?

In den sieben Jahrzehnten ihrer Regentschaft tourte Queen Elizabeth II. kreuz und quer durch die Commonwealth-Länder. Von Tuvalu bis Kanada herrscht nun Trauer. Könnte der Staatenverband zerfallen?

Königin Elizabeth II. besucht im Jahr 1999 Mosambik, das vier Jahre zuvor Mitglied des Commonwealth wurde. Tänzerinnen empfangen die Monarchin.
von Carola Frentzen und den dpa-Korrespondenten

Dem Commonwealth of Nations, oder kurz Commonwealth, gehören heute 56 Staaten an, von denen 15 den britischen Monarchen als Staatsoberhaupt haben. Der weltumspannende lose Nationenbund lag Elizabeth II. sehr am Herzen.

Einst wurde er gegründet, um den Autonomiebestrebungen ehemaliger Kolonien wie Kanada, Kenia oder Australien entgegenzuwirken. Aber einige Mitglieder, wie zuletzt Barbados, haben sich bereits von der Krone abgewandt und zu Republiken erklärt. Manche glauben, dass der Tod der Langzeitregentin auch andere Länder zum Überdenken der historischen Verbindung zum britischen Königshaus bewegen könnte.

Queen liebte das Reisen

Solange ihre Kräfte es zuließen, reiste die Queen auf der königlichen Jacht über die Weltmeere, um die Untertanen in allen Winkeln der Welt zu besuchen - eine ihrer liebsten Aufgaben. Strahlend fuhr sie an der Seite von Prinz Philip im offenen Wagen durch die Ex-Kolonien und wurde dabei lautstark bejubelt. Aber hat die «imperiale Familie» nach Elizabeth' Tod noch eine Zukunft? Ein Blick durch die Welt:

Australien

Queen Elizabeth II. war die erste britische Monarchin, die das weit entfernte Australien besuchte. Zwischen 1954 bis 2011 reiste sie insgesamt 16 mal nach Down Under. Aber die Beziehung der Australier zu ihrem royalen Staatsoberhaupt ist seit langem gespalten. Einige schätzen die Tradition, andere möchten sich vom britischen Königshaus lösen. Bei einem Referendum im Jahr 1999 wollten 45 Prozent der Australier, dass ihr Land zur Republik wird - der Rest stimmte damals noch dagegen.

Der Tod von Elizabeth II. facht nun in Australien die Diskussionen um die Staatsform neu an. Grünen-Chef Adam Bandt drückte dem britischen Königshaus am Freitag in einem Tweet zunächst sein Beileid aus, endete aber mit dem Satz: «Wir müssen eine Republik werden». Die neue Labor-Regierung sprach zuletzt im Juni davon, die Australier erneut über ein Ende der Monarchie abstimmen zu lassen, will ein solches Referendum allerdings wohl erst in einigen Jahren abhalten. Experten vermuten, dass es dieses Mal Erfolg haben könnte.

Neuseeland

Neuseeland hatte stets eine enge, wenn auch nicht immer einfache Verbindung zur Königin. Als erste britische Monarchin besuchte sie den Pazifikstaat am anderen Ende der Welt bereits 1953. Insgesamt reiste sie zehn Mal nach Neuseeland. Im Jahr 1981 entging sie in Dunedin auf der Südinsel knapp einem Mordanschlag. 1986 bewarfen zwei Frauen in Auckland das offene Auto der Queen mit Eiern - aus Protest gegen einen Vertrag zwischen der britischen Krone und den neuseeländischen Maoris, der 1840 unterzeichnet worden war.

Auch beim Besuch der Queen im Jahr 1990, anlässlich des 150. Jahrestages der Unterzeichnung des Vertrags, gab es Proteste. Obwohl es immer wieder Forderungen gibt, Neuseeland zu einer Republik zu machen, gab es bislang keine formalen Schritte. Zuletzt hatte die Partei «Te Pāti Māori», die die Interessen der Ureinwohner vertritt, im Februar zu einer «Scheidung» von der Krone aufgerufen. Ministerpräsidentin Jacinda Ardern würdigte die Queen am Freitag als «außergewöhnlich» und eine Konstante «während beispielloser globaler Veränderungen».

Karibik

In der Karibik schlug der britischen Krone zuletzt heftiger Gegenwind entgegen: Barbados erklärte sich Ende vergangenen Jahres zur Republik und brach damit mit dem britischen Monarchen als Staatsoberhaupt. Die Karibikinsel bleibt allerdings Mitglied des Commonwealth. Auch Jamaika spielt mit dem Gedanken, sich zur Republik zu erklären. Bei ihrem jüngsten Besuch in der Region wurden Prinz William und Kate Middleton in der Region mit Protesten empfangen. Die Demonstranten in Belize und Jamaika forderten unter anderem eine Entschuldigung für die Verwicklung der britischen Royals in die Sklavenhaltung von verschleppten Afrikanern in der Region und Reparationszahlungen.

In der Karibik ist der britische Monarch derzeit Staatsoberhaupt unter anderem von Antigua und Barbuda, den Bahamas, Belize, Grenada und St. Kitts und Nevis. Die Regierungen der Inselstaaten erinnerten am Donnerstag an Elizabeth II. zwar als große Staatsfrau, die für Toleranz und Pflichtbewusstsein gestanden habe. Die Erwartungen an den neuen König Charles III. dürften allerdings groß sein.

Tuvalu

Auch das Südseeparadies ist als parlamentarische Monarchie organisiert und Mitglied des Commonwealth. «Das Ministerium trauert um Königin Elizabeth II.», twitterte das Außenministerium des Inselstaates. In 70 Jahren hingebungsvollen Dienstes habe die Queen «für Stabilität in einer sich ständig verändernden Welt gesorgt». Elizabeth II. hatte Tuvalu nur einmal besucht, im Oktober 1982. Bei zwei Referenden zur Monarchie stimmte 1986 und 2008 die Mehrheit der Einwohner für die Beibehaltung der Monarchie. Seit vergangenem Jahr ist das Thema neu aufgeflammt.

Kanada

Das der Fläche nach zweitgrößte Land der Erde mit rund 38 Millionen Einwohnern hat sich erstmals 1931 nach seiner gesetzgeberischen Unabhängigkeit dem Commonwealth angeschlossen. Das nominelle Staatsoberhaupt aus der britischen Monarchie wird in Kanada durch einen Generalgouverneur vertreten - seit 2021 ist der Posten mit Mary Simon erstmals mit einem Mensch indigener Abstammung besetzt.

Sowohl Simon als auch Premierminister Justin Trudeau drückten nach dem Tod von Königin Elizabeth II. ihr Beileid aus. «Wenn sie in ihr geliebtes Kanada zurückkam, hat sie immer gesagt: "Es ist gut, nach Hause zu kommen"», teilte Trudeau mit. «Sie war hier wirklich zu Hause und die Kanadier haben nie aufgehört, diese Zuneigung zurückzugeben.» Auch andere Mitglieder der Königsfamilie haben Kanada immer wieder besucht, zuletzt waren im Mai Charles und Camilla dort.

Indien

Die Königin war die erste britische Monarchin nach der Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947. Sie wurde Queen, als die blutige Trennung von British India und die Aufteilung in das heutige Indien und Pakistan noch sehr präsent in den Köpfen der Menschen waren. Trotz des derzeit in Indien vorherrschenden Nationalismus wurde die Queen in Indien nicht sehr kritisch gesehen.

Bilder ihres ersten Besuchs 1961 zeigen sie unter anderem bei einer Rede vor einer großen Menschenmenge in der Hauptstadt Neu Delhi. Bei ihrem Besuch 1983 kam sie für ein Treffen der Commonwealth-Regierungschefs, und um Nobelpreisträgerin Mutter Teresa, die sich in Indien um die Ärmsten der Armen gekümmert hatte, einen Orden zu übergeben. Bei ihrem letzten Besuch 1997 sprach sie bei Feiern zu 50 Jahren Unabhängigkeit Indiens erstmals auch von «schwierigen Episoden» der Kolonialgeschichte. Indiens Premierminister Narendra Modi schrieb, er werde «ihre Wärme und Liebenswürdigkeit nie vergessen». Und: «Sie personifizierte Würde und Anstand im öffentlichen Leben.»

Afrika

21 afrikanische Länder sind derzeit Mitglied im Commonwealth of Nations - allerdings ist der britische Monarch dort nirgendwo Staatsoberhaupt. Kenias frisch wiedergewählter Präsident William Ruto schrieb am Donnerstagabend auf Twitter, es sei bewundernswert, wie die Queen das Commonwealth in den vergangenen 70 Jahren geführt habe. «Sie hat diese Institution in ein Forum für wirkungsvolle multilaterale Zusammenarbeit verwandelt.» Das Commonwealth könne unbestreitbar den sozialen und ökonomischen Fortschritt voranbringen. Dies sei das historische Vermächtnis der Queen, schrieb Ruto.

Die Menschen in Ghana hätten sehr gute Erinnerungen an die beiden Besuche von Queen Elizabeth II. in ihrem Land, schrieb Präsident Nana Akufo-Addo auf Twitter. Ghana trat dem Commonwealth 1957 nach seiner Unabhängigkeit bei. Die junge Monarchin besuchte das westafrikanische Land zum ersten Mal 1961. Die Queen habe immer daran geglaubt, dass das Commonwealth etwas Gutes in der Welt bewirken könne, so Präsident Akufo-Addo weiter. «Sie war der Fels, der dafür gesorgt hat, dass die Organisation ihren positiven Werten treu bleibt.»


Bildnachweis: © Fiona Hanson/PA Wire/dpa/Archiv
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