6. Februar 2025 / Aus aller Welt

Essen gehen immer teurer: Deutschland isst Stulle

Alles ist teurer geworden, auch Brot. Doch billiger als ein Restaurantbesuch oder Kochen mit frischen Zutaten ist es allemal. Erlebt das einfache belegte Brot deshalb derzeit ein Comeback?

Vielfalt bei belegtem Brot: zwischen Vollkornbrot mit Käse und Salat und Toast mit Wurst und Käse. (Symbolbild)
von Gregor Tholl, dpa

Schnitte, Stulle, Bütterken, Knifte, Bemme: Das belegte Brot hat viele Namen. In Deutschland ist es ein wichtiges kulinarisches Kulturgut, wenn man so will. Es ist ein Klassiker bodenständiger Energiezufuhr. 

Ob zum Frühstück, als Zwischenmahlzeit, Mittagssnack oder als Abendbrot - das Butterbrot ist populär und scheint in Zeiten teurer werdenden Essengehens wieder populärer zu werden, wie eine neue Umfrage zeigt. Oder war es nie out?

Umfrage belegt Stulle als Sparmaßnahme

«Ich greife auf die Stulle zurück, um Geld zu sparen», sagen aktuell rund 30 Prozent der Erwachsenen im zuletzt inflationsgeplagten Deutschland. Das geht aus der repräsentativen YouGov-Umfrage hervor. Auffällig: Jüngere sagen das viel eher. So sind es bei den Leuten zwischen 18 und Mitte vierzig um die 43 Prozent, bei den über 55-Jährigen lediglich 19 Prozent.

«Das Butterbrot- und Brötchen-Essen passt gut zu den Lebens- und Essgewohnheiten unserer Zeit», sagt die Kunst- und Kulturhistorikern Irene Krauß. Belegte Brote seien unkompliziert zu verzehren, machten lange satt. «Immer mehr Menschen frühstücken eben nicht mehr zu Hause und essen regelmäßig außer Haus.» Diese Entwicklung hänge etwa mit längeren Anfahrtswegen zur Arbeit oder auch mit der Ganztagsschule zusammen.

Deutsche zwischen Avocadobrot-Typ und Wurstbrot-Typ

«Zu dem Trend passen Bäckereien und Backshops, in denen man sich neben einem Brot oder Sandwich auch Kaffee holen kann. Das alles ist nicht ausgesprochen "billig", aber günstiger als Essen zu gehen ist es allemal», sagt die Autorin Krauß («Das große Buch der Brezel»), die früher das Ulmer Museum Brot und Kunst leitete. Außerdem, so betont Krauß, sei die moderne Stulle in ihrer Vielfalt oft auch gut für Vegetarier und Veganer geeignet. 

Laut der neuen Umfrage sagen um die 37 Prozent der 18- bis 44-Jährigen in Deutschland: «Ich bin eher der Avocadobrot-Typ als der Wurstbrot-Typ.» Bei den über 55-Jährigen sind es lediglich 17 Prozent. Die Studie wurde im Auftrag von «Simply V» erstellt, einem Hersteller pflanzlicher Käse-Alternativen. 

Die Marke des Nahrungsmittelproduzenten Hochland gibt zu, dass die Akzeptanz veganen Käses noch ausbaufähig sei. Dem Satz «Bei Käsebroten bevorzuge ich vegane Käse-Alternativen» stimmt zwar fast ein Drittel der 35- bis 44-Jährigen zu, bei Leuten über 55 aber nur jeder Zwanzigste. 

In Deutschland ist man stolz darauf, dass es hier mehr als 300 Brotsorten gibt. Eine andere Weltsicht hat man im Nachbarland Frankreich. In der Baguette-Nation soll der legendäre Präsident Charles de Gaulle einst gesagt haben: «Wie wollen Sie ein Land regieren, in dem es 258 Käsesorten gibt?» In einigen Versionen dieses angeblichen Zitats reicht die Zahl der Sorten sogar bis 600.

Was ein Ernährungssoziologe über die Stulle sagt

Während man Frankreich mit Genuss und üppigem Essen assoziiert, mit Wein und Käse, Austern und Gänseleber, hat Deutschland traditionell den Ruf, einfaches Essen zu mögen: Bier und Brotzeit, Schnitzel und Currywurst.

Doch feiert das einfache Butterbrot tatsächlich derzeit ein Comeback? «Ich kann mir gut vorstellen, dass die Stulle Ausdruck einer - vielleicht sogar erzwungenen - neuen Bescheidenheit und eine Reaktion auf die steigenden Lebenshaltungskosten ist», sagt der Ernährungssoziologe Stefan Wahlen.

Doch nur auf die Kosten zu schauen, greife zu kurz. Die Stulle stehe symbolisch auch für Authentizität und Einfachheit, meint der Professor von der Uni Gießen. «In gewisser Weise verbindet die Stulle Tradition und Moderne, denn letztlich greift sie auf traditionelle Ernährungsmuster zurück und wird zum zeitgemäßen Statement für Effizienz und Einfachheit im hektischen Alltag.» 

Das zeige sich auch am zunehmenden Trend des sogenannten Meal Prep (Mahlzeitvorbereitung). «Die Stulle ist ein kleiner Akt der Selbstermächtigung. Durch die eigene Zubereitung gewinne ich auch ein Stück weit die Kontrolle darüber zurück, was auf meinem Teller landet», sagt der Soziologe.

Das gute alte Butterbrot ist auch Nostalgie

Laut Wahlen war die Stulle in Deutschland eigentlich niemals out. «Das Butterbrot war einmal das Symbol der Hausmannskost und ist in bestimmten Bevölkerungsschichten nie wirklich verschwunden.» 

Wenn heute vermehrt junge Städter zur Stulle griffen, könne dies ein Indiz dafür sein, dass die junge Generation pragmatisch auf finanzielle Restriktionen reagiert. «Auch Nostalgie spielt eine Rolle, da die Stulle oft Kindheitserinnerungen weckt und mit elterlicher Fürsorge assoziiert wird.»


Bildnachweis: © picture alliance / dpa
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