1. Januar 2023 / Aus aller Welt

«Freiheit» und «Doppelwumms» sind «Floskeln des Jahres»

Besonders Politikern wird gern vorgeworfen, häufiger mal Wörter zu verdrehen. Doch Sprachkritiker lassen sie nicht damit davonkommen und listen die schlimmsten Fälle auf. Auch der Kanzler kommt jetzt in einer Negativliste vor.

Das Wort
von dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat es mit seiner Wortschöpfung «Doppelwumms» unter die ersten fünf Plätze des Negativpreises «Floskeln des Jahres 2022» geschafft. Das teilten die Betreiber des Netzprojektes Floskelwolke, Udo Stiehl und Sebastian Pertsch, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit. Mit dem Wort hatte die Ampelkoalition neben der Gaspreisbremse auch eine Strompreisbremse angekündigt. «Man kann sagen, das ist hier ein Doppelwumms», hatte Scholz im September gesagt.

Auch «Klimakleber», «Sozialtourismus» und «technologieoffen» kamen unter die fünf höchstplatzierten Wörter. Auf dem ersten Platz steht bei dem Negativpreis diesmal das Wort «Freiheit». Die Sprachkritiker betonen, dass sie mit dieser Wahl nicht das Wort an sich aufspießen - sondern das Schindluder, das damit getrieben wird.

Verbaler Missbrauch des Freiheitsbegriffs

Die Begründung: «Wir beobachten, wie sich ein zunehmend aggressiver Umgang miteinander in der Gesellschaft in der Sprache widerspiegelt.» Differenzierte Diskussionen würden durch Lautstärke und Schlagwörter übertönt. «Das macht auch nicht Halt vor der Umdeutung eines hoch angesehenen Guts wie Freiheit, in deren Namen inzwischen egoistische Forderungen gestellt werden oder absurde Preisungen von zum Beispiel Atomkraft als "Freiheitsenergie" entstehen», so die Sprachkritiker. «Leider übertraf der verbale Missbrauch des Freiheitsbegriffs alle Erwartungen und er ist ein verdienter Sieger dieses Negativpreises.»

Zu der Wahl von «Doppelwumms» hieß es: «Die zweite Auflage der "Bazooka" liegt auf dem Tisch, doppelt munitioniert mit Subventionen für Energiekonzerne und Verbraucherinnen und Verbraucher. Der "Wumms" aus dem Doppellauf der Büchse kostet so viel, dass er wohl nur noch lautmalerisch vermittelbar ist. Wir erwarten weitere "Piff-, Paff- und Puff"-Gesetze!» Scholz hatte auf dem Höhepunkt der Corona-Krise ein unbegrenztes Kreditprogramm als «Bazooka» bezeichnet. Der Begriff steht eigentlich für eine Panzerabwehrwaffe - und im übertragenen Sinn für eine quasi unbegrenzte finanzielle Feuerkraft.

Auch das Wort «Sozialtourismus» kam in die Liste der Top 5. «Das «Unwort des Jahres 2013» taugt stets für eine rechtslastige Provokation. Es suggeriert, dass Einwanderinnen und Einwanderer vor allem wegen Sozialleistungen nach Deutschland kämen.»

Die Initiatoren wollen nicht anprangern

Mit dem ebenfalls abgestraften Wort «technologieoffen» könne jeder «auf altbackene Techniken beharren und unwirtschaftliche Ideen aus der Glaskugel anpreisen». Das Wort «Klimakleber» wiederum sei eine «einprägsame Alliteration, die an Kürze und Verächtlichkeit kaum zu überbieten ist. Ein Sprachetikett für Menschen, die ungeachtet ihrer Ziele auf die Protestform reduziert werden», so die zwei Juroren.

Sebastian Pertsch und Udo Stiehl wurden für die Floskelwolke mit dem Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik ausgezeichnet. Seit 2014 macht das sprach- und medienkritische Projekt auf «Floskeln, Phrasen und weitere fragwürdige Formulierungen in deutschsprachigen Nachrichtentexten» aufmerksam. Man wolle «dabei nicht anprangern, sondern sensibilisieren», betont Pertsch.

Die «Floskel des Jahres» wurde zum dritten Mal verliehen. Zuerst ging der Preis 2020 an «Einzelfälle», 2021 folgte «Eigenverantwortung».

Die Anzahl der qualifizierten Vorschläge für das Jahr 2022 war im Vergleich zum Vorjahr ähnlich hoch. Mehr als 70 Begriffe und Formulierungen, die einen Bezug zum vergangenen Jahr hatten, erreichten die Floskelwolke. Neben den Top 5 wurden die «ebenfalls preiswürdigen» Formulierungen «Zeitenwende», «Wertegemeinschaft», «Corona-Pause», «Immunschuld» und «Resilienz» vorgeschlagen. «Sie schafften es aber nicht aufs Siegertreppchen», so Floskelwolke.


Picture credit: © Christof Bock/dpa-Zentralbild/dpa
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