23. Januar 2022 / Aus aller Welt

Lawinenhunde üben die Rettung aus meterhohem Schnee

Der Helfer Hund ist auch im dritten Jahrtausend der modernen Technik weit überlegen. Wenn wie in diesen Tagen wegen der andauernden Schneefälle die Lawinengefahr in den Alpen steigt, schlägt ihre Stunde.

Der Hundeführer Dörg Stephan sucht mit seiner Lawinensuchhündin Amira nach einem Verschütteten.
von Ulf Vogler (Text) und Karl-Josef Hildenbrand (Fotos), dpa

Der Himmel ist grau und es liegt jede Menge Schnee am Berg. Doch die achtjährige Amira weiß ganz genau, was zu tun ist. Irgendwo in den weißen Massen ist ein Mensch verschüttet und wartet auf Rettung.

Das erfahrene Australian-Shepherd-Weibchen nimmt die Witterung auf und rennt zielstrebig den Hang hoch, gefolgt von Herrchen Dörg Stephan.

Plötzlich bellt Amira, fängt an zu graben, letztlich quetscht sie sich in das Loch rein. In der geschlossenen Schneehöhle hat die Hündin eine Verschüttete gewittert. Der 57-jährige Stephan ist kurz darauf am Unglücksort und gräbt mit seiner Schaufel weiter. Als er das Lawinenopfer erblickt, gibt er es sogleich per Funk durch: «Weiblich und ansprechbar.»

In diesem Fall war es nur eine Übung. Die vermeintlichen Lawinenopfer sind alles Kollegen vom Bergwachtler Stephan aus dem Allgäu, die sich für die jährliche Lawinenübung der Hundestaffel in die künstlichen Schneehöhlen legen und vergraben lassen. In diesen Tagen läuft wieder einmal das Training mit den elf Allgäuer Suchhunden im Skigebiet Grasgehren bei Obermaiselstein im Oberallgäu - am Ende müssen die Vierbeiner sowie ihre Herrchen oder Frauen eine Prüfung absolvieren. Themen der Ausbildung sind beispielsweise Risikomanagement, Einsatztaktik und Suchstrategien.

Es kommt auf jede Minute an

Dörg Stephan ist hauptamtlicher Bergwacht-Mitarbeiter. Eigentlich kümmert er sich im technischen Dienst um die Funkanlagen der Rettungsorganisation. Als Mitglied der Hundestaffel ist er allerdings ehrenamtlich tätig, wie all die anderen auch. Im Ernstfall muss er bei einer Alarmierung sofort zum Unglücksort eilen und mit Amira die Suche aufnehmen - es kommt auf Minuten an. «Die berühmten 15 Minuten, wo man eine Überlebenschance hat, sind ruck zuck vorbei», sagt er.

Tatsächlich wird nur in wenigen Fällen ein ausgebildeter Suchhund in dieser Viertelstunde, die die Experten als Überlebenszeit in der Lawine annehmen, zur Stelle sein. Denn die Hundeführer sind oftmals bei der Arbeit, müssen mit ihrem Tier nach der Alarmierung erst einmal meist per Auto zum Unglücksort gelangen - es kann eine halbe Stunde vergehen. Deswegen betonen die Bergwachler, zuerst müssten die Begleiter der Verunglückten ran: «Nach wie vor ist die Kameradenhilfe die größte Chance, jemanden noch lebend aus der Lawine zu holen», betont der Leiter der Allgäuer Lawinenhundestaffel, Xaver Hartmann.

Aber dennoch kommt es natürlich immer wieder vor, dass Verschüttete wesentlich länger als 15 Minuten im Schnee überleben. Dann schlägt die Stunde der Hunde, die falls möglich mit dem Helikopter eingeflogen werden. Los geht es auf das Kommando «Such». Dadurch weiß der Vierbeiner, jetzt steht kein lockeres Gassigehen im Neuschnee an.

Ein Hund ersetzt 20 Bergwachtleute

Dass auch der Ernstfall ihnen Spaß macht, zeigt der zweijährige Paco. Wild wuselt der Große Münsterländer über das weitläufige Schneefeld, springt mal nach links, dann nach rechts. Nach kurzer Zeit wird auch er fündig. Aus mehr als einem Meter Tiefe befreit er den Verschütteten - im Ernstfall können die Menschen noch mehrere Meter tiefer liegen. Die feinen Nasen schaffen auch das.

«Ein Lawinenhund ersetzt bei der Suche nach Verschütteten und Vermissten 20 Bergwachtleute und sein Geruchsvermögen ist rund 50 mal besser wie das des Menschen», erläutern die Kollegen der Lawinen- und Suchhundestaffel in der Bergwacht-Region Chiemgau. Daher sei auch in der heutigen Zeit trotz der Fortschritte der Technik nach wie vor der Einsatz der Vierbeiner die effektivste Methode, um Lawinenopfer schnell aufzuspüren, wissen die Bergretter aus der oberbayerischen Region.

Während im Allgäu am Wochenende die Lawinengefahr noch moderat war, wurde sie im Chiemgau aufgrund der Neuschneefälle teilweise bereits als «erheblich» eingestuft. Die Lawinensituation sei gefährlich und könne bis auf die zweithöchste Warnstufe klettern, berichtete das Landratsamt in Traunstein am Samstag. «Es wird daher äußerst eindringlich davon abgeraten, sich im alpinen Gelände zu bewegen!»

Von wegen Bernhardiner

Am Sonntag kam es dann tatsächlich in der Region Aschau im Chiemgau zu mehreren Lawinenabgängen, die laut Polizei allerdings glimpflich verliefen. Ein Mensch sei leicht verletzt worden.

Manche Menschen denken bei Lawinensuchhunden an die massigen Bernhardiner aus der Schweiz. Die Legende von dem Bernhardiner, der mit einem Fässchen Schnaps um den Hals das Opfer rettet, hält sich in den Köpfen. Alles Unsinn! «Das ist ein Mythos, das hat es noch nie gegeben», sagt Hartmann über Bernhardiner als Lawinenhunde. Letztlich seien aber fast alle anderen Hunde - ob reinrassig oder Promenadenmischung - zwischen Dackel (zu kurze Beine für den hohen Schnee) und eben Bernhardiner (zu schwer) geeignet.

Der Bundesverband Rettungshunde erläutert, dass Lawinenhunde auch im Vergleich zu manch anderen Rettungshunden besondere Anforderungen erfüllen müssten. «Der Transport mit Hubschrauber, Sessellift, Gondel und Pistenfahrzeug muss trainiert und beherrscht werden», betont der Verband. Bei der Ausbildung lerne der Vierbeiner, «seinen Ski fahrenden Hundeführer zu begleiten und sich mit ihm aus großen Höhen abzuseilen».

Dabei sind die Spürnasen nicht nur im Winter gefragt. Im Sommer kommen sie bei der Vermisstensuche zum Einsatz, denn regelmäßig verlaufen sich in den Alpen Wanderer und finden dann den Weg nach unten nicht mehr. Auch bei Erdbeben oder Hauseinstürzen können die spezialisierten Lawinenhunde wertvolle Hilfe leisten. Die Allgäuer Helfer seien daher auch schon zwei Mal nach Naturkatastrophen in die Türkei geflogen, erzählt Hartmann.


Bildnachweis: © Karl-Josef Hildenbrand/dpa
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