4. Mai 2023 / Aus aller Welt

Messerangriff an Schule: Ermittler sprechen von «Zufallstat»

Erschütterung, Betroffenheit, Entsetzen - das waren die Reaktionen, nachdem zwei Berliner Grundschülerinnen von einem Fremden fast erstochen wurden. Jetzt sind Details über den mutmaßlichen Täter bekannt.

Mitarbeiter der Kriminaltechnik stehen in der Nähe der Schule in Neukölln.
von Andreas Rabenstein und Carla Benkö, dpa

Etwa 30 Kinder und einige Erzieher mussten mitansehen, wie der Angreifer auf dem Berliner Schulhof auf die beiden Mitschülerinnen einstach und sie schwer verletzte. Es war Spielzeit während der Nachmittagsbetreuung in der Grundschule.

Dem achtjährigen Mädchen stach der Täter am Mittwoch mit einem Küchenmesser in den Hals und verletzte es lebensgefährlich. Das siebenjährige Mädchen erlitt mehrere Stiche. Unter den Zeugen war auch die Schwester eines der Kinder, die ebenfalls die Evangelische Schule Neukölln besuchte. Beide Opfer wurden operiert und werden weiter im Krankenhaus behandelt. Unterdessen wurden über den mutmaßlichen Täter weitere Informationen bekannt.

Der 38-jährige Mann sei vermutlich psychisch krank, sagte Staatsanwaltschaftssprecher Sebastian Büchner. Für die Krankheit könne auch Drogenkonsum eine Rolle spielen. Bei der Festnahme durch die Polizei direkt nach der Tat am Mittwochnachmittag habe der Mann «den Eindruck gemacht, neben sich zu stehen». Bei der Polizei gestand er die Tat. Einen Grund nannte er aber wohl nicht. «Es gibt keine Erkenntnisse zu einem Motiv des Beschuldigten», teilte die Polizei mit.

Einweisung in psychiatrische Klinik erlassen

Die Staatsanwaltschaft beantragte die vorläufige Einweisung des mutmaßlichen Täters in eine geschlossene psychiatrische Klinik, weil er möglicherweise nicht schuldfähig sei. Offiziell geht es um die «Unterbringung im Krankenhaus des Maßregelvollzugs» - statt der Untersuchungshaft in einem Gefängnis. Der Antrag wurde schließlich auch erlassen - wegen zwei Fällen des versuchten Totschlags, wie die Staatsanwaltschaft am Nachmittag mitteilte. Der Beschuldigte ist nun vorläufig in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.

Der mutmaßliche Täter hat die deutsche Staatsangehörigkeit, ist in Berlin geboren und lebt auch dort, so die Staatsanwaltschaft. Laut Medienberichten wohnt er in Neukölln, nicht weit entfernt von der Schule. Aufgefallen war er schon in den Jahren zuvor - auch in der Öffentlichkeit - mit seltsamem Benehmen. Die Staatsanwaltschaft sprach von «psychisch auffälligem» Verhalten und fügte hinzu: «Es gab keine Erkenntnisse, dass er zu Gewalttaten neigt.»

Bei der Polizei sind Straftaten bekannt wie Körperverletzung, Beleidigung, Schwarzfahren, Drogendelikte und Sachbeschädigung. Die letzte aktenkundige Körperverletzung sei allerdings 2012 geschehen, so die Staatsanwaltschaft. Danach sei es noch um Sachbeschädigung und Drogen gegangen.

Polizei: «Zufälliges Zusammentreffen auf Schulhof»

Der Angriff auf die kleinen Mädchen am Mittwoch war offenbar nicht geplant, sondern zufällig. Die Polizei gehe nicht davon aus, dass der Mann die Kinder kannte, sagte Büchner. Es sei eine «Zufallstat» gewesen, «ein zufälliges Zusammentreffen auf diesem Schulhof». Der Mann ging demnach an der Schule vorbei, der Hof sei frei zugänglich gewesen. «Er hat einfach diesen Schulhof betreten.»

Danach ließ sich der 38-Jährige am Tatort festnehmen. Schon kurz danach hieß es vom Senat, also der Berliner Landesregierung, dass es keine politischen oder religiösen Motive gebe. Auch am Donnerstag schrieb die Polizei: «Es gibt keine Erkenntnisse zu einem Motiv des Beschuldigten.»

Die Frage, ob eine Grundschule, die nachmittags von vielen Schülern selbstständig verlassen wird, während andere von ihren Eltern abgeholt werden, besser gegen Fremde geschützt werden kann, beschäftigte umgehend die Politik. Der Schutz vor Angriffen an Schulen sei sehr gut - sofern man ihn überhaupt gewährleisten könne, versicherte eine Sprecherin der Senatsbildungsverwaltung.

Schule als «Begegnungsstätte» geöffnet

Dieser Fall sei aber nach derzeitigem Stand nicht zu verhindern gewesen. «Ein Restrisiko wird man niemals ausschließen können», sagte die Sprecherin. Die Tat sei ein «absoluter Einzelfall und eine Tragödie». Trotzdem soll die Schule in dieser und der kommenden Woche bewacht werden. Ob es auch eine längerfristige Sicherung geben werde, darüber werde beraten, teilte die Schule mit.

Für die Schüler fällt der Unterricht in dieser Woche erst einmal aus. Als «Begegnungsstätte» sei die Schule aber geöffnet. Psychologen, Notfallseelsorger und Seelsorger der Kirche sollen Schüler, Erzieher, Lehrer und Eltern unterstützen. Entsprechende Angebote solle es «langfristig» geben. Aktuell werde eine Andacht geplant.

Der Schulbetrieb solle bald weitergehen, um «wieder ein Gefühl der Normalität» zu ermöglichen. Gleichzeitig bittet die Schulleitung um Rücksichtnahme. Schüler, Lehrer und Eltern bräuchten Zeit und Ruhe, um das schreckliche Ereignis zu verarbeiten, schrieb Schulleiter Thorsten Knauer-Huckauf auf der schuleigenen Internetseite. «Wir hoffen, dass man uns diese Zeit und Ruhe lässt.»


Bildnachweis: © Christophe Gateau/dpa
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