Ein zielsicherer Dolchstich in die Bauchschlagader und eine gewaltsam verdrehte Halswirbelsäule: In wissenschaftlicher Detektivarbeit haben Forscher den Hergang etwa tausend Jahre zurückliegender tödlicher Verbrechen aufgedeckt. Sie untersuchten südamerikanische Mumien im 3D-Computertomographen (CT) - und zeigten, dass die Menschen brutal ermordet wurden. Für die in der Fachpublikation «Frontiers in Medicine» veröffentlichte Studie hatte ein internationales Team mit dem speziellen Röntgenverfahren drei Mumien aus dem präkolumbianischen Südamerika untersucht, die seit dem späten 19. Jahrhundert in europäischen Museen aufbewahrt werden. Die Aufnahmen zeigen, dass die beiden männlichen Mumien tödliche Verletzungen aufweisen, wie Andreas Nerlich, Mitautor und Leiter der Pathologie am Münchner Klinikum Bogenhausen berichtet. Die Frau sei mutmaßlich eines natürlichen Todes gestorben. Bei der Mumie aus dem «Museum Anatomicum» der Philipps-Universität Marburg handele es sich um einen jungen Mann von etwa 20 bis 25 Jahren. Die Wissenschaftler rekonstruierten den Ablauf der Tat so: Ein Angreifer schlug dem Opfer mit voller Wucht auf den Kopf, derselbe oder ein zweiter Angreifer stach dem Mann, der noch stand oder kniete, mit einer Art Dolch in den Rücken. Er habe zielsicher die Bauchschlagader getroffen und das Opfer ausbluten lassen. «Der Stich, so wie er geführt wurde, zeigt, dass der Täter hochgradige Kenntnisse der Anatomie und der Wirkung gehabt haben muss», sagt Nerlich. Es sei ein Vorgehen, «wie man das von rituellen Schlachtungen von Tieren kennt». Erstmals sei damit eine Tötung auf diese Art bei einer südamerikanischen Mumie nachgewiesen worden. Auch bei dem zweiten Mann - die Mumie stammte wie die der Frau aus dem Geschichtsmuseum von Delémont in der Schweiz - habe der Täter anatomische Kenntnis gehabt: Dem Opfer wurde regelrecht «der Hals umgedreht» und durch massive Verschiebung der Halswirbelkörper das Rückenmark abgerissen. «Die Arten von Verletzungen, die wir gefunden haben, wären nicht nachweisbar gewesen, wenn diese menschlichen Überreste bloße Skelette gewesen wären», sagte Nerlich. Die CT-Scans mit der Möglichkeit zur 3D-Rekonstruktion böten einzigartige Einblicke in den Körper. Früher hätte für eine solche Studie die Mumie zerstört werden müssen; mit herkömmlichen Röntgen oder älteren CT-Scans sei eine so detaillierte Diagnostik nicht möglich. Nerlich schloss nicht aus, dass es sich um rituelle Morde handelte - zumal beide Männer mit Grabbeigaben bestatten worden waren. Täter und Motive bleiben allerdings im Dunkeln. Die Frage danach könne womöglich durch weitere Funde geklärt werden. Gewalt war in Südamerika vor gut tausend Jahren offenbar an der Tagesordnung. Eine andere kürzlich durchgeführte Untersuchung hatte ergeben, dass jeder fünfte Mann Kopfverletzungen aufwies.Ablauf der Taten rekonstruiert
Detaillierte Diagnostik dank neuer Technologien
Bildnachweis: © A-M Begerock, R Loynes, OK Peschel, J Verano, R Bianucci, I Martinez Armijo, M González, AG Nerlich/dpa
Copyright 2022, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten
Mumien im CT: Forscher rekonstruieren jahrhundertalte Morde
Ein internationales Forscherteam hat extrem lang zurückliegende «Cold Cases» zumindest teilweise aufgeklärt. Es geht um brutale Mordtaten vor rund tausend Jahren in Südamerika.
Meistgelesene Artikel
- 10. April 2024
Sprechstunde der AWO-Wohnberatung am 24. April
Auch im Alter möglichst lange und selbständig in der vertrauten Umgebung zu leben: Das wünschen sich wohl die meisten...
- 9. April 2024
„Treffpunkt Lesen & Geselligkeit“ am 18. April
Wer gerne liest und sich mit anderen über gelesene oder neue Bücher austauschen möchte, ist herzlich zum...
- 16. April 2024
Übersicht über aktuelle Baustellen
Wann, wo und wie lange? Hier finden Sie Informationen über aktuelle Verkehrsbaustellen im Stadtgebiet. So können Sie...
Neueste Artikel
- 6. Mai 2024
Viele Tote bei Überschwemmungen in Brasilien
Die Zahl der Hochwasser-Toten in Brasilien steigt. Um Menschen aufzufinden, setzt die Luftwaffe auch Drohnen ein.
Panikattacke oder Asthma - mit solchen Diagnosen soll ein Hamburger Arzt seine Patienten in der Corona-Zeit vor der Maskenpflicht bewahrt haben. Nun muss sich der 80-Jährige vor Gericht verantworten.
Weitere Artikel derselben Kategorie
- 6. Mai 2024
Viele Tote bei Überschwemmungen in Brasilien
Die Zahl der Hochwasser-Toten in Brasilien steigt. Um Menschen aufzufinden, setzt die Luftwaffe auch Drohnen ein.
Panikattacke oder Asthma - mit solchen Diagnosen soll ein Hamburger Arzt seine Patienten in der Corona-Zeit vor der Maskenpflicht bewahrt haben. Nun muss sich der 80-Jährige vor Gericht verantworten.