28. Dezember 2022 / Aus aller Welt

Lebenslang nach Doppelmord im Künstlerdorf Fischerhude

Ein Gestüt, viel Geld, zwei Männer und eine Frau - selbst den Richter erinnerte diese Konstellation an TV-Dramen. In der Realität gab es zwei Tote und eine Verletzte, und den Täter ereilte die Höchststrafe.

Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal geführt.
von Friedemann Kohler, dpa

Machtspiele und Intrigen auf einem niedersächsischen Gestüt, ein Geschehen «zwischen Dallas und Denver-Clan» - so ordnete Richter Nikolai Sauer vom Landgericht Verden den Fall ein, in dem er am Mittwoch das Urteil sprach. Wegen zweier vollendeter Morde und eines versuchten Mordes erhielt der 65 Jahre alte Täter die Höchststrafe: Lebenslang mit besonderer Schwere der Schuld.

Seine Tat hatte sich vor genau einem Jahr am 28. Dezember 2021 in dem beschaulichen Künstlerdorf Fischerhude bei Bremen abgespielt. Der Angeklagte habe die Mutter (73) und den Bruder (56) eines früheren Geschäftspartners und Freundes erschossen, befand das Gericht. Das Motiv war Rache: «Die Tötung dieser beiden Personen erfolgte eindeutig aus Hass auf den Prinzen», sagte Sauer.

Eine zufällig anwesende Cousine der Mutter, heute 54 Jahre alt, erlitt einen Kopfdurchschuss. Es sei «reiner Zufall», dass sie überlebt habe, sagte der Richter.

Wohltäter und Widersacher

Der «Prinz», ein Geschäftsmann und Gestütsbesitzer mit erheiratetem Adelstitel, war der große Wohltäter und Widersacher des Angeklagten. Auf seinem Pferdehof bei Wehldorf im Kreis Rotenburg (Wümme) spielte die dramatische Vorgeschichte der Morde.

Mit einem eigenen Gestüt in Lilienthal sei der Angeklagte gescheitert, sagte der Richter. Der bis dahin erfolgreiche Unternehmer habe «im wahrsten Sinne des Wortes auf das falsche Pferd gesetzt». Nach der Insolvenz bot der Gestütsbesitzer aus Wehldorf Hilfe an. Er nahm den Angeklagten, dessen wesentlich jüngere Partnerin und zwei kleine Kinder vorübergehend auf.

Der Angeklagte sei in seinem Geschäftsgebaren großkotzig, «immer der Lebemann in der Mitte» gewesen, hatte Staatsanwältin Annette Marquardt in ihrem Plädoyer vor Weihnachten gesagt. Ähnlich charakterisierte sie auch den Gestütsbesitzer: «Beide Männer waren ähnlich gestrickt.» Sie rauchten und tranken zusammen. «Der Prinz war kein Mensch, der nur Gutes getan hat», sagte auch Richter Sauer.

Lügen und Betrug

Das Leben auf dem Gestüt verlief chaotisch. Der Angeklagte nutzte seinen Gastgeber aus, prellte ihn mit Lügen um Tausende Euro. Eindeutig ging das Gericht davon aus, dass es zu einem Verhältnis zwischen dem Prinzen und der Lebensgefährtin des Angeklagten gekommen sei. Nach langen Querelen sei der Angeklagte Anfang Dezember 2021 vom Hof geflogen. Nur für Heiligabend mit seinen Kindern und der Ex-Partnerin habe er noch einmal zurückkommen dürfen.

«Das haben Sie dem Prinzen nicht verziehen», sagte Sauer dem Angeklagten. Doch statt den Gestütsbesitzer anzugreifen, suchte sich der Täter für seinen Racheakt vier Tage nach Weihnachten Mutter und Bruder als Opfer aus. Diese hatten in dem Streit zuvor nur am Rande eine Rolle gespielt.

In Fischerhude löste die Tat Entsetzen und Angst vor dem bewaffneten Schützen aus. Der Beschuldigte stellte sich einen Tag später bei der Polizei in Lilienthal. Er ließ Taucher der Polizei im Fluss Wümme nach der Tatwaffe suchen. Dabei wusste er, dass sie in einem Schuppen versteckt lag.

In einer Vernehmung räumte er zwar die tödlichen Schüsse ein. Er behauptete aber, der Gestütsbesitzer habe ihn angestiftet. Das nahm das Gericht ihm nicht ab. Die Strafkammer folgte mit ihrem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld bedeute, dass eine Freilassung nach 15 Jahren zwar geprüft werde, aber unwahrscheinlich sei, sagte Sauer. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung hatte auf eine Strafe von weniger als lebenslang gehofft und kündigte Rechtsmittel an.


Picture credit: © Mohssen Assanimoghaddam/dpa
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