4. November 2021 / Aus aller Welt

Schlechte Karten für Tina Turner im Streit um Double

1986 nahm Tina Turner den Hit «What you get is what you see» auf. 35 Jahre später nun befasst sich der BGH im Grunde mit der Frage, ob wirklich jedem klar ist, dass er nur das bekommt, was er sieht.

Tourneeveranstalter Oliver Forster vor dem Bundesgerichtshof (BGH) mit Plakat der Show „Simply The Best - Die Tina Turner Story“.
von ?Marco Krefting, dpa

Da ist Musik drin: Sieht die falsche Tina Turner dem Original zu ähnlich und werden Fans mit Werbeplakaten für eine sogenannte Tribute-Show in die Irre geleitet?

Darauf zu sehen ist Turner-Doppelgängerin Dorothea «Coco» Fletcher und der Titel «Simply The Best - Die Tina Turner Story». Doch die Original-Turner (81) hat nichts mit der Produktion zu tun und geht gegen die Verwendung ihres Namens und ihres «Bildnisses» vor - bis zum Bundesgerichtshof (BGH). Sie meint, dass Betrachter wegen der Ähnlichkeit zwischen Fletcher und ihr davon ausgingen, sie selbst sei auf den Plakaten abgebildet. Turner hat den Tourveranstalter aus Passau auf Unterlassung verklagt.

Nach der Verhandlung am Donnerstag in Karlsruhe darf sich Turner allerdings nicht allzu große Hoffnungen machen. Nach einem Sieg vor dem Landgericht Köln hatte schon das Oberlandesgericht Köln das Urteil kassiert und der Kunstfreiheit mehr Gewicht gegeben als dem Recht am eigenen Bild und am eigenen Namen. Der Vorsitzende BGH-Richter Thomas Koch sagte, in einer ersten Einschätzung neige der Senat dazu, dieses Urteil «für richtig zu erachten». Seine Entscheidung verkündet der BGH aber erst am 24. Februar 2022.

«Frau Turner missfällt an der ganzen Sache, dass sie über ihr Selbstbestimmungsrecht gerne Herr sein möchte», erläuterte Anwältin Kerstin Schmitt. «Sie möchte selbst darüber bestimmen, wenn ihr Name und ihr Bildnis verwendet wird zu werblichen Zwecken.» Es gehe darum, auf Plakaten deutlich zu machen, «dass es hier eine Doppelgänger-Show ist und Frau Turner selbst nichts mit dieser Show zu tun hat».

Rechtsanwältin Brunhilde Ackermann, die den beklagten Veranstalter Cofo Entertainment vertritt, verwies hingegen darauf, dass das Event rechtmäßig sei. «Wenn die Show als solche unter die Kunstfreiheit fällt, dann muss sie auch entsprechend beworben werden. Und zwar durch die Hauptdarstellerin, die auch in der Show auftritt.» Es könne nicht sein, dass etwa eine Blondine auf den Plakaten zur «Turner-Story» zu sehen sein. Maßstab sei dabei ein «durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Mensch» und keiner, «der chronisch dumm ist und sich alles oberflächlich ansieht».

Ackermann machte sogar ein größeres Fass auf: «Das Problem ist: Wenn man das jetzt hier verbieten würde, dann wäre das möglicherweise das Aus für ein Geschäftsmodell, das anerkannt und zulässig ist, nämlich die Tribute-Shows.» Solche gebe es beispielsweise auch für Elvis Presley und die Beatles. Ein Musical über die Pilzköpfe aus Liverpool hat Cofo Entertainment ebenso im Programm wie über Sänger Falco. Sie würden wie etwa auch «Die Abba-Story» mit Doppelgängern beworben, die die Originale möglichst authentisch darstellten und ihnen möglichst ähnlich sehen, erläuterte Geschäftsführer Oliver Forster.

Der BGH muss nun entscheiden, ob das Publikum durch die Plakate getäuscht wird. Immerhin habe Turner sich vor mehr als zehn Jahren offiziell zurückgezogen und seither kein Comeback verkündet, was eingefleischte Fans ja wüssten, sagte Richter Koch. Ferner geht es um die Frage, ob Rechte von Turner verletzt werden.

Allerdings habe er in der Verhandlung auch den Eindruck bekommen, dass hinter dem Streit ein weiterer Aspekt stecke, sagte Koch: 2019 feierte «Tina - Das Tina Turner Musical» Deutschland-Premiere auf der Hamburger Reeperbahn. Es wurde von Stage Entertainment entwickelt - und zwar im Unterschied zur «Tina-Turner-Story» in enger Zusammenarbeit mit der Musiklegende selbst. Seit Oktober hat das Operettenhaus die Show wieder im Programm - direkte Konkurrenz also.

Persönlichkeitsrechte von Prominenten sind immer wieder ein Fall für die Justiz. Auch das oberste Zivilgericht in Deutschland - der BGH - hat sich schon damit befasst. So bejahten die Richter 1999 beispielsweise zum ersten Mal in einem Grundsatzurteil über die Vermarktung des Images von Schauspielerin Marlene Dietrich zu Werbezwecken, dass Erben verstorbener Stars finanzielle Ansprüche für deren kommerzielle Verwertung erheben können. In diesem Fall bekam die Tochter Recht und durfte Schadenersatz für die ungenehmigte Benutzung von Namen und Bild ihrer 1992 gestorbenen Mutter fordern.

Selbst mit Tribute-Shows haben sich deutsche Gerichte schon befasst. So entschied etwa das Landgericht Mannheim 2009, dass eine solche über Michael Jackson weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Kings of Pop, noch sein Recht am eigenen Bild verletze.

Für die Veranstalter der «Tina-Turner-Story» ist der Prozess durch alle Instanzen etwas leidig, wie Forster einräumte. Zumal sich vermutlich nichts ändern werde - egal wie das Urteil ausfällt. Denn schon seit der Entscheidung des Kölner Landgerichts sind die Plakate für die Show und die Internetseite um die Worte «Starring Dorothea Fletcher als Tina Turner» ergänzt. Auf der anderen Seite ist so viel Aufmerksamkeit natürlich gleichermaßen kostenlose Werbung - immerhin sind für das kommende Jahr schon 57 Spielorte geplant.


Bildnachweis: © Uli Deck/dpa
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