17. September 2022 / Aus aller Welt

Studie: Fluglärm beeinflusst manche Vogelarten langfristig

Als der Flughafen Berlin-Tegel noch in Betrieb war, fingen Vögel mit ihrem Morgengesang an als Artgenossen an ruhigeren Orten. Nach der Airport-Schließung Ende 2020 haben Forschende erneut hingehört.

Jahrzehntelanger Fluglärm am Berliner Flughafen Tegel hat nach Einschätzung von Biologen beim Verhalten mancher Vogelarten Spuren hinterlassen.
von dpa

Jahrzehntelanger Fluglärm am Berliner Flughafen Tegel hat nach Einschätzung von Biologen beim Verhalten mancher Vogelarten Spuren hinterlassen. Auch noch ein halbes Jahr nach der Schließung des internationalen Airports 2020 fingen Arten wie Amseln in der Nähe des einstigen Rollfeldes früher mit ihrem Morgengesang an als Artgenossen an ruhigeren Orten. Das berichten Léna de Framond und Henrik Brumm vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz (in Gründung) im bayerischen Seewiesen in einer aktuellen Studie.

Der vergleichsweise frühe Gesang von Vögeln in der Einflugschneise von Tegel war demnach bereits 2016 in einer Studie gezeigt worden, als noch Flugbetrieb herrschte. Laut den Forschern scheinen Tiere ihre Signale dort frühzeitiger auszusenden, damit diese nicht im Lärm der Turbinen untergehen. Im Gesang enthalten seien überlebenswichtige Informationen, etwa zur Revierverteidigung und um Partner anzulocken.

«Insgesamt zeigen wir, dass Lärmbelästigung langanhaltende Auswirkungen auf das Verhalten der Tiere haben kann und dass die Beseitigung des Lärms bei manchen Arten nicht zu einer sofortigen Erholung führt», halten die Autoren im Fachblatt «Proceedings of the Royal Society B» fest. Die gute Nachricht: Beim Großteil der untersuchten Arten habe man im Frühjahr 2021 bereits eine Normalisierung der Gesangszeiten gesehen. Dies betreffe zum Beispiel Rotkehlchen, mehrere Meisenarten und Buntspechte.

Verschiebung beim Morgenchor bis zu 20 Minuten

Amseln, Kleiber, Singdrosseln, Ringeltauben und Mönchsgrasmücken in Flughafennähe waren 2021 laut der Studie jedoch immer noch deutlich früher zu hören als ihre Artgenossen an ruhigeren Orten. «Die beobachtete Verschiebung beim Morgenchor beträgt je nach Art bis zu 20 Minuten», sagte Projektleiter Brumm, dessen wissenschaftliche Laufbahn in der Hauptstadt begonnen hatte. «Man könnte meinen, dass das keinen Riesenunterschied macht. Aber bei Vögeln ist der Morgenchor genauestens getaktet, bis hin zur Reihenfolge, in der die Vogelarten mit ihrem Gesang beginnen. Fünf Minuten zu spät zu sein, kann den Fortpflanzungserfolg beeinträchtigen.»

Den Autoren zufolge könnten zwei Mechanismen hinter den je nach Art unterschiedlichen Reaktionen stehen. «Bei manchen Arten wie den Rotkehlchen scheint beim Individuum eine schnelle Anpassung an den veränderten Lärmpegel möglich zu sein», sagte Brumm. Bei Arten wie Amseln, die noch immer so früh singen wie zu Zeiten von lauten Starts und Landungen, habe sich durch den jahrzehntelangen Lärm vermutlich die Population verändert - so dass eher die Frühaufsteher in Flughafennähe vorkommen. «Vermutlich wird es ein paar Generationen dauern, bis sich die Gesangszeiten wieder normalisiert haben.»

Ende 2020 wurde Tegel geschlossen

Die Forscher erkannten vor Jahren bei der Ankündigung der Schließung von Tegel die Gelegenheit für den Vorher-Nachher-Vergleich, wie Brumm sagte. Für die aktuelle Untersuchung wurden im Mai 2021 in etwa 150 Meter Entfernung zum einstigen Flughafengelände in der Jungfernheide der frühmorgendliche Vogelgesang aufgezeichnet. Hinzu kamen Aufnahmen von ruhigeren Kontrollstandorten in Berlin. Auch Hintergrundgeräusche wurden jeweils separat aufgenommen und berücksichtigt. Die Daten wurden mit jenen aus der ersten Studie verglichen.

In Tegel war nach mehr als 70 Jahren am 8. November 2020 das letzte Flugzeug abgehoben. Zwölf Jahre nach der Schließung des Flughafens Tempelhof konzentrierte Berlin seinen Luftverkehr damit am Standort Schönefeld. Dort war Ende Oktober 2020 der BER eröffnet worden. Auf dem ehemaligen Flughafengelände in Tegel entstehen nun ein Forschungs- und Industriepark und Wohnungen.


Bildnachweis: © Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa
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