19. November 2021 / Aus aller Welt

Wie viel Tsunami-Potenzial steckt im Ätna?

Der Vulkan Ätna hat die Sizilianer in diesem Jahr in Atem gehalten. Aktivität entfaltet er aber auch unter Wasser. Denn ganz langsam rutscht der Hang ins Mittelmeer. Droht jetzt ein Tsunami?

Der Vulkan Ätna in der Nähe von Catania spuckt Lava. Welche Auswirkungen die jüngsten Ausbrüche haben, wollen Kieler Forscher untersuchen.
von André Klohn, dpa

Regelmäßig und auch spektakulär ist der Ätna auf der italienischen Insel Sizilien seit Februar ausgebrochen. Doch wie wirkt sich die große Aktivität des mehr als 3350 Meter hohen Vulkans auf den Jahr für Jahr einige Zentimeter ins Mittelmeer rutschenden Hang aus.

Dieser Frage wollen Wissenschaftler aus Kiel in den kommenden Wochen bei ihrer Expedition «Hazelnut» mit dem Forschungsschiff «Meteor» nachgehen. «Wir wollen das Tsunami-Potenzial vor dem Ätna besser verstehen», sagt Expeditionsleiter Felix Gross. Am 21. November startet das aus 16 Forschenden bestehende Team vom niedersächsischen Emden aus.

Flanke droht ins Meer zu rutschen

Dass die südöstliche Flanke des Vulkans in Bewegung ist und langsam ins Meer rutscht, ist schon länger bekannt. Der wahrscheinlichste Grund dafür sei die Schwerkraft, sagte der marine Geophysiker Gross vom Center for Ocean and Society der Kieler Universität. Denn der Ätna habe sich sehr wahrscheinlich auf einer Tonschicht aufgebaut, die immensem Druck ausgesetzt sei. «Das Ganze rutscht einfach runter.»

Wissenschaftler der Uni, des Geomar - Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Ätna Observatoriums in Catania (Italien) haben die Bewegungen des Hangs bereits vor Jahren mit Sensoren nachgewiesen. «Zwei bis drei Zentimeter pro Jahr rutscht der Hang ab», sagt die Geowissenschaftlerin Morelia Urlaub von Geomar. Während sich die Bewegung über Wasser mittels Satellitendaten beobachten lasse, seien die Forscher im Meer auf akustische Sensoren angewiesen.

Sensoren am Meeresgrund

«Wir konnten nachweisen, dass sich die Flanke unter Wasser genauso schnell bewegt wie an Land», sagt Urlaub. In etwa 1200 Meter Wassertiefe messen fünf Sensoren seit 2016 an der instabilen Flanke des Vulkans etwa 20 Kilometer vor der Küste ihren gegenseitigen Abstand durch akustische Signale. Bei der anstehenden Reise sollen diese mit Hilfe eines Modems ausgelesen und gewartet werden.

Die Forscher interessiert vor allem die Frage, wie sich die Ausbrüche auf das Abrutschen auswirken. «Sehen wir vielleicht auch eine stärkere Bewegung am Meeresboden?», sagt Urlaub. Für Expeditionsleiter Gross ist es ein Glücksfall, dass die Sensoren während der Aktivphase des Ätna installiert sind. Dies gebe einen besonderen Einblick in diese Zeit.

Kleinere Tsunamis möglich

Der Abbruch kleinerer Blöcke des Hangs sei theoretisch möglich, sagt der 34-Jährige. Ein solcher könne kleinere Wellen im Mittelmeer erzeugen. «Wir reden in diesem Fall aber von zwei, drei Meter hohen Tsunamis. Die sind aber eher mit einer großen Windwelle vergleichbar und fallen vielleicht auch gar nicht auf.» Sollte sich das Abrutschen des Hangs beschleunigen und damit einen möglichen katastrophalen Tsunami ankündigen, «dann würden wir das wahrscheinlich Jahre vorher sehen». Eine Beschleunigung könne in naher Zukunft oder in 1000 Jahren erfolgen. Für Schwarzmalerei bestehe kein Anlass.

Der an der Ostküste Siziliens gelegene Ätna hat vier Hauptkrater und hunderte Nebenkrater, aus denen bei Ausbrüchen Magma austritt. Seit Mitte Februar hat es besonders viele kleinere und größere Ausbrüche des ständig aktiven Vulkans gegeben. Die Asche des Ätna ist nicht nur für die Menschen in der Umgebung ein Problem. Es kam auch vor, dass der Flughafen in der Stadt Catania am Fuße des Vulkans den Betrieb vorübergehend einstellen musste, weil die Start- und Landebahn verschmutzt war.

Das Forschungsteam will auch Sediment-Kerne des Hangs entnehmen. Sie sollen Aufschluss darüber geben, ob es aufgrund der erhöhten seismischen Aktivität des Vulkans starke Veränderungen gab. Bislang gehen die Forscher davon aus, dass die Kräfte, die aufsteigendes Magma auf die Vulkanflanken ausübt, bei dem beobachteten Abrutschen des Hangs eine eher untergeordnete Rolle spielen.


Bildnachweis: © Davide Anastasi/LaPresse via ZUMA Press/dpa
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