16. Mai 2023 / Aus aller Welt

Fünf Juwelendiebe in Dresden verurteilt

Einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle Deutschlands: Junge Männer aus dem Berliner Remmo-Clan haben den Einbruch ins Historische Grüne Gewölbe Dresden gestanden. Der Richter redet ihnen ins Gewissen.

Die Angeklagten und ihre Anwälte im Prozess um den Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe im Landgericht Dresden.
von Simona Block und Jörg Schurig, dpa

Dreieinhalb Jahre nach dem spektakulären Juwelendiebstahl aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden sind fünf junge Männer aus dem Berliner Remmo-Clan zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Das Dresdner Landgericht sprach sie am Dienstag unter anderem wegen besonders schwerer Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung schuldig. Die Richter bescheinigten einigen der bereits vorbestraften Verurteilten ein Handeln mit «erheblicher krimineller Energie». Es sei darum gegangen, «reich zu werden». Drei der fünf Verurteilten konnten das Gericht dennoch durch die Vordertür verlassen.

Auch bei einem vierten wurde der Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Er muss allerdings zunächst seine Jugendstrafe wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum noch weiter verbüßen. Die Betroffenen müssen sich jede Woche auf einer Berliner Polizeidienststelle melden. Erst wenn das Urteil rechtskräftig ist, folgt die Reststrafe. Die Richter ließen Revision dagegen zu, sie kann innerhalb einer Woche eingelegt werden.

Ein 25-Jähriger hat ein Alibi

Ein 25-Jähriger wurde freigesprochen, er hat ein Alibi. Er verbüßt ebenfalls noch eine Jugendstrafe wegen des Goldmünze-Diebstahls. Das Gericht ging davon aus, dass die Juwelen-Diebe zu sechst waren und «dass mindestens ein Täter noch fehlt». Das Strafmaß fußt auf einem «Deal». Das stieß im Vorfeld selbst in Justizkreisen auf Kritik.

Der Kunstdiebstahl aus Sachsens berühmtem Schatzkammermuseum am 25. November 2019 gilt als einer der spektakulärsten in Deutschland. Die Täter erbeuteten 21 Schmuckstücke aus Diamanten und Brillanten und verursachten zudem über eine Million Euro Schaden, als sie einen Stromverteilerkasten in der Altstadt sowie in der Tiefgarage eines Wohnhauses ein Fluchtauto in Brand setzten, um Spuren zu verwischen.

Für die drei inzwischen 26, 27 und 29 Jahre alten Männer verhängte die Strafkammer Haftstrafen von sechs Jahren und drei Monaten, fünf Jahren und zehn Monaten sowie sechs Jahren und zwei Monaten. Ein 24-Jähriger bekam vier Jahre und vier Monate Jugendstrafe. Auch dessen Zwillingsbruder sahen die Richter als Mittäter, er bekam fünf Jahre Jugendstrafe - unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung. Die Angeklagten waren Monate nach dem Einbruch bei Razzien in Berlin gefasst worden. Lange fehlte von der Beute jede Spur.

Umstrittene Verständigung kurz vor Weihnachten

Anfang Januar gab es eine Verständigung zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht, nachdem kurz vor Weihnachten 2022 die meisten der gestohlenen Juwelen zurückgegeben worden waren. Der umstrittenen Verständigung hatten vier Beschuldigte zugestimmt.

Der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel sprach von einem «herausragenden Verfahren». An 47 Tagen Hauptverhandlung im Zeitraum von 15 Monaten seien mehr als 100 Zeugen und 11 Sachverständige vernommen worden. Einen Einbruch in das Grüne Gewölbe in der Landeshauptstadt habe kaum jemand für möglich gehalten.

Der Wert der gestohlenen Schmuckstücke sei mit mindestens 116 Millionen Euro angegeben worden - eine Summe, von der man sich als Normalbürger kaum eine Vorstellung machen könne. Der Verlust der Stücke sei mit Geld nicht aufzuwiegen. Der Versicherungswert der zurückgegebenen Teile liege bei 69 Millionen Euro.

Ziegel verteidigte zugleich den «Deal». In Medien sei suggeriert worden, dass man keinen «Deal» machen sollte, weil die Täter keine Gnade verdient hätten. Dabei sei eine Verständigung seit 2009 ein gesetzlich verankertes Instrument und kein Skandal. «Die Regelung gilt für einen Herrn Remmo genauso wie für einen Herrn Müller oder Meier.» Es sei zwingendes Recht, dass Geständnisse und eine Wiedergutmachung - wenn auch nur in Teilen - strafmildernd wirken müssten. Ein früherer Richter hatte im Vorfeld die Glaubwürdigkeit der Aussagen bei einer solchen Verständigung in Zweifel gezogen.

«Wir haben intensiv über die Angemessenheit des Strafrahmens nachgedacht», sagte der Vorsitzende Richter nun. Ohne die Verständigung wären die Schmuckstücke wohl nie mehr an ihren Platz im Grünen Gewölbe zurückgekehrt. «Man kann nicht so tun, als wäre es nichts, was zurückgegeben wurde.» Die Zurückführung ist für Sachsen und jeden Kunstinteressierten von großer Bedeutung. Das habe man deutlich strafmildernd berücksichtigen müssen.

Die Rückgabe eines Teils der Beute ändert aber nichts daran, dass die Gesamtheit der Juwelengarnituren «wohl für immer zerstört ist», wie es Ziegel ausdrückte. Denn die wichtigsten Stücke mit einigen großen Brillanten fehlen. In Dresden glaubt kaum noch einer daran, dass sie jemals wieder auftauchen. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte: «Wir hoffen, dass die Tat vollständig aufgeklärt werden kann und auch die noch fehlenden Schmuckstücke zurückgeführt werden.»

In schicken Wagen davongebraust

Der Freistaat hatte vor Gericht Schadenersatz in Höhe von fast 89 Millionen Euro geltend gemacht - für die zurückgegebenen, teils beschädigten und die noch fehlenden Schmuckstücke sowie für Reparaturen etwa der zerstörten Vitrinen und am Museumsgebäude. Die Ansprüche müssen nun in einem Zivilverfahren geltend machen.

Vor dem Gerichtsgebäude nahmen fast ein Dutzend angereiste Verwandte und Freunde die Freigelassenen in Empfang - und brausten zusammen in zwei schicken Wagen davon Richtung Autobahn. Und die drei Staatsanwälte wechselten in einen Saal im Landgerichtsgebäude in der Stadt, um gegen einen Betrüger zu verhandeln, der sich im Zusammenhang mit dem Fall bereichern wollte.

Am Ende redete Ziegel den Angeklagten ins Gewissen. Sie seien nun an einem Punkt angelangt, wo sie selbst entscheiden könnten, ob sie weiter Straftaten begehen oder ein rechtschaffenes Leben führen wollten. «Es gibt Sachen in Ihrem Leben, für die es sich lohnt, ein anderes Leben zu führen.» Vielleicht könne man «kein dickes Autos» mehr fahren, sondern eher eine langweilige Familienkutsche. «Es ist Ihre Entscheidung, was Sie aus Ihrem Leben machen.»


Bildnachweis: © Sebastian Kahnert/dpa-Pool/dpa
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