7. Juni 2022 / Aus aller Welt

Fahrlässige Tötung: Emittlungen gegen drei Bahnmitarbeiter

Fünf Menschen sterben, weil ein Regionalzug bei Garmisch-Partenkirchen entgleist. Nun wird nach der Ursache gesucht - und nach möglichen Verantwortlichen.

Der letzte umgestürzte Waggon wurde am Montag von Kränen geborgen.
von Sabine Dobel, dpa

Nach dem Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen rückt nun die Suche nach den Ursachen in den Fokus.

Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt nach Angaben vom Dienstag gegen drei Personen wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung. Zugleich ermittelt eine Soko «Zug».

Der Regionalzug von Garmisch-Partenkirchen nach München war am Freitagmittag kurz nach der Abfahrt entgleist. Dabei starben vier Frauen und ein 13-Jähriger aus der Region, rund 40 Menschen wurden verletzt. Eine Verletzte ist weiter in einem kritischen Zustand. Unter den Getöteten sind auch zwei Frauen aus der Ukraine, die dem Vernehmen nach mit ihren Kindern nach Bayern geflüchtet waren. An der Unfallstelle gingen am Dienstag die Aufräumarbeiten weiter. Die Bundesstraße neben dem Unglücksort war zunächst weiter gesperrt.

Es wird nach technischen Defekten gesucht

Bei den drei Beschuldigten handele es sich um Mitarbeiter der Deutschen Bahn, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II, Andrea Grape. «Es handelt sich bisher um einen Anfangsverdacht», betonte Grape. Bis zum Abschluss der Ermittlungen bleibe offen, ob die Bahnmitarbeiter tatsächlich Mitschuld trügen. «Es gilt auch hier wie stets in solchen Fällen die Unschuldsvermutung bis zum endgültigen Abschluss der Verfahrens.» Warum der Zug entgleiste, ist unklar. Dies sei Gegenstand der Ermittlungen, sagte Grape.

Offensichtlich rücken jedoch Schienen und Fahrgestelle ins Zentrum der Untersuchungen. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte am Dienstag, die Ursache sei unklar. «Schon am Freitag waren alle Experten vor Ort der Meinung, dass die wahrscheinlichste Ursache ein technischer Defekt am Gleis oder am Zug sein müsste.»

Ähnlich äußerte sich Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er sagte dem Bayerischen Rundfunk, die Unfallursache werde «mit dem Schwerpunkt in Richtung technische Defekte gesucht». Fahrgestelle von Waggons seien sichergestellt worden, «und es wird im Moment auch überlegt, inwieweit einzelne Schienen oder Schwellen sichergestellt werden müssen. Auf jeden Fall werden die im Moment peinlichst genau untersucht und vermessen», sagte er am Montag.

Nach einem Bericht der Zeitung «Die Welt» plante die Deutsche Bahn auf der Unglücksstrecke zwischen Oberau und Garmisch-Partenkirchen in Kürze Sanierungsarbeiten an den Gleisen. Im Juli sollten demnach Gleise in Garmisch-Partenkirchen erneuert werden. Wo genau, ist nicht ersichtlich. Der Unfallort Burgrain ist ein Ortsteil.

Die Deutsche Bahn teilte mit, sich wegen der laufenden Ermittlungen derzeit nicht äußern zu können. «Selbstverständlich setzen wir alles daran, die ermittelnden Behörden bei der Aufklärung der Unfallursache zu unterstützen», sagte ein Bahnsprecher am Dienstag.

Die Ermittlungen zur Unfallursache führt eine Soko «Zug» bei der Kripo Weilheim. Am ersten Tag habe die Soko bis zu 70 Menschen umfasst, sagte der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Stefan Sonntag. Auch am Dienstag waren mehr als 40 Ermittler mit der Aufklärung befasst. Ein Experte der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung und ein externer Gutachter seien ebenfalls beteiligt.

Derzeit würden Zeugen befragt, darunter Bahnmitarbeiter und Fahrgäste. Mit vielen sei bereits gesprochen worden. «Es wird versucht, mit allen zu sprechen, die im Zug saßen. Natürlich ist jeder, der im Zug saß, ein potenzieller Zeuge», sagte Sonntag.

Die Ermittlungen könnten Monate dauern

Die Ergebnisse der Befragungen müssten später geordnet und bewertet sowie dann mit den Resultaten der technischen Untersuchungen zusammengeführt werden. «Es ist ein langwieriger und aufwendiger Prozess - der hoffentlich irgendwann ein Gesamtbild ergibt, das diesen Unfall rekonstruieren lässt.» Nach ersten Schätzungen könnten die Ermittlungen Wochen oder Monate in Anspruch nehmen.

Der letzte umgestürzte Waggon war am Montag mit Kränen geborgen und für den Abtransport zerlegt worden. Die Teile wurden vorübergehend in der Nähe abgelegt. Am Dienstag waren Helfer dabei, die Höhenkontrolle vor der Tunneleinfahrt Farchant wieder zu montieren. Bäume wurden geschnitten. Die Lok und ein Waggon standen weiter auf dem Bahndamm. «Die Lok sowie ein Wagen bleiben aufgrund weiterhin laufender Ermittlungsarbeiten noch bis auf weiteres vor Ort», teilte ein Bahnsprecher mit.

Wann die Bahnstrecke wieder freigegeben wird, ist offen. Ersatzbusse seien im Einsatz, aber von nicht zwingend erforderlichen Zugfahrten im Bereich Garmisch-Partenkirchen - Murnau werde abgeraten, teilte die DB mit. Die Autobahn 95 in Richtung Garmisch-Partenkirchen ist laut Polizei wieder freigegeben. Die Tunnel Farchant und Oberau sowie die Bundesstraße 2 in Höhe der Unfallstelle sind aber noch gesperrt.


Bildnachweis: © Uwe Lein/dpa
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