28. April 2023 / Kreis Gütersloh

Suchtprobleme und Wohnungslosigkeit verstärken sich gegenseitig

Gütersloh. Seinen Arbeitsplatz hatte der Mann bereits vor geraumer Zeit verloren, das Ersparte irgendwann auch, die...

von Jan Focken

Gütersloh. Seinen Arbeitsplatz hatte der Mann bereits vor geraumer Zeit verloren, das Ersparte irgendwann auch, die private Krankenversicherung ruhte und der Alkoholkonsum nahm zu – den letzten Dienst, den die Partnerin des Mannes noch geleistet hat, bevor auch sie weg war, war ein Anruf bei Marina Broelhorst vom Kreis Gütersloh. Über fünf Ecken, wie die Sozialarbeiterin sagt, muss die Ex-Partnerin von dem neuen Angebot gehört haben: ‚Endlich ein Zuhause!

Mit der Landesinitiative gegen Wohnungslosigkeit „Endlich ein Zuhause!“ geht die Landesregierung das Thema Wohnungslosigkeit in seiner ganzen Komplexität bereits seit einiger Zeit an. Mit einem weiteren Baustein, dem Förderprogramm zur Stärkung der Suchtberatung für wohnungslose Menschen, werden zusätzlich niedrigschwellige Angebote und eine auf die Bedarfe wohnungsloser Menschen zugeschnittene Suchtberatung in den Blick genommen. Ziel dieser Projektarbeit ist es, verfestigte Wohnungslosigkeit zu beenden und drohende Wohnungslosigkeit zu verhindern – beides geht häufig einher mit einer Suchterkrankung, deshalb wurde vom Landesministerium ein Angebot mit dem Schwerpunkt Wohn- und Suchtberatung entwickelt. Broelhorst beschreibt die Wechselwirkung: „Entweder man wird wohnungslos und fängt deshalb an zu trinken oder man trinkt und wird deswegen wohnungslos.“ Das Projekt ist zunächst auf zwei Jahre befristet.

Nachdem sie in den vergangenen Wochen zahlreiche Angebote und Vernetzungspartner im Versorgungssystem des Kreises aufgesucht und kontaktiert hat, ist Broelhorst eines sehr deutlich geworden: Der Begriff der Sozialberatung sei am Ende für ihre Tätigkeitsbezeichnung passender. Die Probleme sind komplex. Klinkenputzen war die Diplom-Sozialpädagogin bei allen, die in irgendeiner Form mit dem Problem zu tun haben und bei der Lösung helfen können: Bei Wohnungsgesellschaften, bei dem Jobcenter, der Arbeitsagentur und vielen mehr. „Die wissen häufig als erste, wer zu kippeln droht, also Probleme hat, seine Miete zu zahlen.“ Es geht im Kern darum, Hilfen zu vermitteln, etwa bei der Stellung eines Antrags auf Sozialleistungen. Oder den Ausgleich zwischen Mietern und Vermietern zu suchen. Zuletzt hatte Broelhorst erreicht, dass ein Vermieter eine Fristverlängerung bei der im Raum stehenden Kündigung wegen ausstehender Mietzahlungen eingeräumt hat. „Wenn die merken, da kümmert sich jetzt jemand, ist beiden Seiten geholfen. Das macht Spaß, wenn man erfolgreich vermittelt und alle davon profitieren.“ In der Regel verweist sie auf bereits bestehende Hilfsangebote und schlägt den Betroffenen somit eine Brücke ins Versorgungssystem. Es ist aber auch möglich, dass zu Beginn zwei, drei Termine mit dem Klienten gemacht werden, um dringende Problemlagen schnell und niedrigschwellig abzuarbeiten. Meist sind es Männer, zunehmend auch solche aus der viel beschworenen Mittelschicht. Zwei Altersgruppen sind besonders häufig vertreten: Junge Männer und solche jenseits der 50. Da ‚kippeln‘ die Lebensverhältnisse beispielsweise nach einer Trennung, alles kommt ins Rutschen. „Frauen schaffen es irgendwie häufiger, sich zu retten, ziehen etwa wieder bei den Eltern ein.“

Auch in einem wirtschaftsstarken Kreis ist es keine Randerscheinung, dass Menschen kein Dach über dem Kopf haben: In der Wohnungslosen-Statistik des Landes NRW steht der Kreis relativ weit oben, am negativen Ende der Skala. „Wohnungslosigkeit ist ein verstecktes Thema“, kommentiert Guido Klinker, Verwaltungsleiter der Abteilung Gesundheit beim Kreis Gütersloh die Situation. Das fängt beim Begriff an: Als wohnungslos gilt jemand, der kein eigenes Dach über dem Kopf hat – also auch alle, die zeitweise bei Eltern, bei Freunden oder in kommunalen Unterkünften leben, nachdem sie die eigene Wohnung verloren haben. Wohnungslos bedeute eben nicht, unter der Brücke schlafen zu müssen. „Ich habe auch mit Bewohnern in kommunalen Unterkünften gesprochen, die erzählt haben, dass ihr Schicksal niemanden interessiere.“ Sie müssen nicht unter freiem Himmel schlafen, aber einen Ausweg aus der Situation, aus dem Leben in einer kommunalen Unterkunft, ist auch nicht in Sicht. Diplom-Sozialpädagogin Broelhorst muss nicht lange suchen, um ihre Zielgruppe zu finden.

Quelle: Kreis Gütersloh - hier Original öffnen (www.kreis-guetersloh.de)

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