11. Dezember 2023 / Aus aller Welt

Jeder vierte Internetnutzer stößt auf Hass und Hetze

Viele werden im Internet mit Beleidigungen, Aggressionen oder Desinformationen konfrontiert. Hetze und Fakes vergiften das Klima. Warum sind sie so gefährlich? Und was kann jeder Einzelne tun?

Einer Statistik zufolge sahen sich Jüngere Internetnutzende häufiger mit Hate Speech im Netz konfrontiert als ältere. (Symbolbild)
von Jenny Tobien und Sebastian Fischer, dpa

Ob Hate Speech oder Fake News: Trolle und Hetzer wüten im Netz und verbreiten Hass und Desinformationen. Jetzt hat das Statistische Bundesamt neue Daten dazu veröffentlicht, in welchem Maße Menschen in Deutschland in sozialen Medien, Internetforen oder Kommentarspalten in Kontakt mit Falschinformation und Hetze kommen.

Demnach hat mehr als ein Viertel der User in Deutschland nach eigener Einschätzung im ersten Quartal dieses Jahres Beiträge im Netz im Zusammenhang mit Hassrede wahrgenommen. Damit waren rund 15,8 Millionen Menschen im Alter von 16 bis 74 Jahren mit Hate Speech konfrontiert - und zwar unabhängig davon, ob die als Hassrede wahrgenommenen Beiträge gegen die eigene Person oder gegen andere gerichtet waren. «Die Ergebnisse überraschen uns nicht», sagt Anna-Lena von Hodenberg von der Organisation «HateAid» der Deutschen Presse-Agentur. Inzwischen gebe es auch einen Gewöhnungseffekt, was gewaltvolle Sprache im digitalen Raum betreffe.

Jüngere nehmen häufiger Hate Speech wahr

Der Statistik zufolge sehen sich Jüngere häufiger mit Hate Speech im Internet konfrontiert als ältere, wie das Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte. So beobachteten mehr als ein Drittel (36 Prozent) der User zwischen 16 bis 44 Jahren feindselige oder erniedrigende Kommentare. Bei den 65- bis 74-Jährigen waren es nur 14 Prozent. «Jüngere sind natürlich viel häufiger im Netz unterwegs und nehmen auch viel mehr digitale Gewalt wahr», sagt von Hodenberg. Im Gegensatz zu Älteren sei es für sie viel schwerer, digitale Räume zu verlassen. «Da rauszugehen bedeutet soziale Exklusion.»

Und was sind die häufigsten Ziele von Hate Speech? Der Statistik zufolge wurden die meisten Angriffe aufgrund politischer oder gesellschaftlicher Ansichten wahrgenommen, gefolgt von Angriffen wegen der ethnischen Herkunft beziehungsweise rassistische Äußerungen. «Viele Menschen trauen sich gar nicht mehr, ihre politische Meinung im Netz zu teilen, da findet eine regelrechte Verstummung statt», sagt von Hodenberg. Das sei extrem gefährlich. Die Menschen würden aus diesem Raum - und damit auch aus dem öffentlichen Diskurs - verdrängt werden. «Übrig bleiben die, die am lautesten schreien und am extremsten sind.»

Und, so betont die Expertin: «Im Digitalen wird der toxische Nährboden für Aggression und Gewalt im analogen Raum geschaffen.» Das zeigten beispielsweise die Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten, auf Kommunalpolitiker oder Polizei und Rettungskräfte.

Fällt Unwahres auf?

Beim Surfen im Netz stoßen User aber auch auf Falschinformationen, sogenannte Fake News. Nach Angaben der Statistiker sah fast die Hälfte der Befragten (48 Prozent) Informationen, die nach ihrer eigenen Einschätzung unwahr oder unglaubwürdig waren.

Die entscheidende Frage hierbei ist jedoch: Erkennen sie Fake News auch tatsächlich? «Effektive Desinformation ist so subversiv, dass man gar nicht bemerkt, dass man ihr gerade auf den Leim gegangen ist», erklärt Josef Holnburger, Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), das im Netz Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen untersucht.

Die Wahrnehmung der Menschen ist immer stark von den eigenen Überzeugungen beeinflusst. «Man glaubt eher das, was mit den eigenen politischen Einstellungen zusammenpasst», sagt der Experte. Dann wird Desinformation nicht selten als Information gesehen - oder anders herum: Die wahre Berichterstattung etablierter Medien wird womöglich sogar als Fake bezeichnet.

Oft steht hinter einer gezielten Verbreitung von Falschbehauptungen die Absicht, das allgemeine Vertrauen zu untergraben. «Desinformation mindert die Glaubwürdigkeit auch von Menschen und Organisationen, die eigentlich immer korrekt berichtet haben oder, wenn ein Fehler unterlaufen ist, diesen aufgeklärt haben», sagt Holnburger. Die Wahrheit erscheine dann als eine Art Kompromiss zwischen Falschinformation und Information. «Und da wird es dann richtig gefährlich, weil man plötzlich niemandem mehr glaubt.»

So kann jeder helfen

Was kann jeder Einzelne gegen Hate Speech und Fake News tun? «Nicht passiv sein, nicht sagen, dass das einen nichts angeht», sagt von Hodenberg. Stattdessen: «Genau hinschauen, Beiträge bei den Plattformen melden und bei der Polizei anzeigen, damit es eine Strafverfolgung gibt.» Es gelte, digitale Zivilcourage zu zeigen, und den Opfern zur Seite zu stehen, «etwa, indem man ihnen eine Privatnachricht schreibt oder sie öffentlich stärkt». Auch müssten die sozialen Medien nicht so bleiben, wie sie sind: «Wir können von der Politik fordern, dass sie sicherere Orte werden.»

Das Bundesamt wies darauf hin, dass die Daten 2023 zum ersten Mal erhoben wurden und somit kein Vorjahresvergleich möglich ist. Sie stammen aus der Erhebung zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in privaten Haushalten, bei der Menschen von 16 bis 74 Jahren befragt wurden. In dieser Altersspanne nutzten demnach 92 Prozent der Bevölkerung in Deutschland im ersten Quartal 2023 das Internet. Das entsprach 57,4 Millionen Menschen.


Bildnachweis: © Fabian Sommer/dpa
Copyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Meistgelesene Artikel

Nächster Hobbymarkt am 8. November - ohne Geflügel
Stadt Verl

Da der erste Samstag im November ein Feiertag (Allerheiligen) ist, findet der Hobbymarkt in diesem Monat ausnahmsweise...

weiterlesen...
Mit den Verler Literaturtagen 2025 die Vielfalt der Literatur erleben
Stadt Verl

Von Gedichten im Dunkeln über einen packenden Psychothriller bis hin zu einer unterhaltsamen literarischen Revue über...

weiterlesen...
Rollator-Club trifft sich wieder am 14. und 28. November
Stadt Verl

Unter dem Motto „Bewegung ist die beste Medizin“ trifft sich regelmäßig an jedem 2. und 4. Freitag im Monat der...

weiterlesen...

Neueste Artikel

Jecken-Comeback im «Sunnesching»
Aus aller Welt

Traumhafter Karnevalsauftakt: Unter tiefblauem Himmel haben Tausende kostümierte Jecken die neue Session eingeläutet. Ein Prominenter lässt sich allerdings partout nicht zum Mitschunkeln bewegen.

weiterlesen...
Druck auf Zeugen? Strenge Ermahnung im Block-Prozess
Aus aller Welt

Die Block-Kinder wurden in der Silvesternacht 2023/24 entführt. Weil die Mutter den Auftrag gegeben haben soll, steht sie als Angeklagte vor Gericht. Die Richterin hat sie nun streng ermahnt.

weiterlesen...

Weitere Artikel derselben Kategorie

Jecken-Comeback im «Sunnesching»
Aus aller Welt

Traumhafter Karnevalsauftakt: Unter tiefblauem Himmel haben Tausende kostümierte Jecken die neue Session eingeläutet. Ein Prominenter lässt sich allerdings partout nicht zum Mitschunkeln bewegen.

weiterlesen...
Druck auf Zeugen? Strenge Ermahnung im Block-Prozess
Aus aller Welt

Die Block-Kinder wurden in der Silvesternacht 2023/24 entführt. Weil die Mutter den Auftrag gegeben haben soll, steht sie als Angeklagte vor Gericht. Die Richterin hat sie nun streng ermahnt.

weiterlesen...