11. Januar 2024 / Aus aller Welt

Fußballtrainer wegen Hunderter Missbrauchsfälle vor Gericht

Jahrelang war der Jugendtrainer die prägende Gestalt seines Vereins, doch dann kamen heftige Vorwürfe ans Licht: Hunderte Male soll er Teenager, die ihm anvertraut waren, missbraucht haben.

Vor dem Landgericht München I findet der Prozess gegen einen Fußballtrainer wegen hundertfachen Missbrauchs statt.
von Britta Schultejans, dpa

Es sind erschütternde Vorwürfe: Ein Fußballtrainer aus München soll junge Spieler jahrelang missbraucht und vergewaltigt haben. Mehr als 800 Missbrauchsfälle wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor, 30 Opfer soll es geben.

In mehr als 200 Fällen ist er auch wegen Vergewaltigung angeklagt, in vier Fällen wegen Kindesmissbrauchs, weil das Opfer jünger als 14 Jahre alt war. Dazu kommen Vorwürfe sexueller Übergriffe und der vorsätzlichen Körperverletzung.

Am Donnerstag hat am Landgericht München I der Prozess gegen den 47-Jährigen begonnen, der in seinem früheren Verein jahrelang die prägende Figur war. Als damaliger Cheftrainer und sportlicher Leiter galt er als Autoritätsperson, war besonders verantwortlich für die Jugendspieler.

Zwischen 13 und 19 Jahren

Und diese Verantwortung soll er - so wirft es ihm die Staatsanwaltschaft vor - rücksichtslos ausgenutzt haben. Seine mutmaßlichen Opfer waren zur Tatzeit Teenager im Alter zwischen 13 und 19 Jahren. Er soll sie bei angeblichen physiotherapeutischen Behandlungen missbraucht und in zahlreichen Fällen auch vergewaltigt haben.

Dabei nahm er laut Staatsanwaltschaft nach einem immer gleich ablaufenden Muster auf einer Massageliege in der Kabine des Fußballvereins, beim Trainingslager oder auch in seinem Haus sexuelle Handlungen an den jungen Fußballern vor und gab an, dies diene der Durchblutung der Muskulatur.

«Die Geschädigten, die im Tatzeitraum sehr jung waren und zudem unerfahren in Bezug auf Sexualität und physiotherapeutische Behandlungsmethoden, glaubten dem Angeklagten», sagte die Staatsanwältin in ihrer Anklage.

Als Physiotherapeut ausgegeben

Der Angeklagte habe angegeben, ausgebildeter Physiotherapeut zu sein, und den jungen Fußballern vorgegaukelt, solche Behandlungen seien im Profisport üblich. Auch wenn Widerspruch kam und die Jugendlichen sich nicht mehr von ihm anfassen lassen wollten, habe er wiederholt gesagt, das müsse nunmal sein.

Dass er für mehrere Jugendmannschaften zuständig war und die jungen Spieler befürchteten, ausgemustert zu werden, spielte dabei nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft eine Rolle.

Der Angeklagte, der während der Verlesung der langen Anklage «zittrig» war, wie er sagte, immer wieder die Augen schloss und sich mehrfach ans Herz fasste, wollte sich zu Prozessbeginn nach Angaben seiner Verteidigung zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern.

Kommt es zu einem Deal?

Einer seiner Anwälte regte aber ein Rechtsgespräch über einen sogenannten Deal an. Dabei könnten sich die Verfahrensbeteiligten auf einen Strafrahmen einigen. Bedingung für einen solchen Deal ist ein umfassendes Geständnis.

Die Staatsanwältin gab an, sich eine Haftstrafe von weniger als elf Jahren für die Taten kaum vorstellen zu können, das Gericht schlug - für den Fall eines umfassenden Geständnisses - eine Strafe von nicht mehr als acht Jahren vor.

Dabei würde dem 47-Jährigen zugutegehalten, dass er den mutmaßlichen Opfern eine Aussage vor Gericht ersparen könne sowie «das bisher straffreie Vorleben des Angeklagten». Als möglicherweise strafschärfend sah der Vorsitzende Richter «das perfide Vorgehen unter Ausnutzung seiner Stellung im Fußballverein» sowie «die Vielzahl der Taten und die Vielzahl der Geschädigten».

Das Gericht betonte, dass eine mögliche Sicherungsverwahrung oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht von dem Deal umfasst wäre - also auch im Falle eines Geständnisses nicht ausgeschlossen ist. Ob der Angeklagte das Deal-Angebot annehmen will, blieb zunächst offen. Seine Verteidiger sagten, man wolle es sich bis zum nächsten Verhandlungstag am Montag (15. Januar) überlegen.


Bildnachweis: © Sven Hoppe/dpa
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Meistgelesene Artikel

Sprechstunde der AWO-Wohnberatung am 24. April
Stadt Verl

Auch im Alter möglichst lange und selbständig in der vertrauten Umgebung zu leben: Das wünschen sich wohl die meisten...

weiterlesen...
Übersicht über aktuelle Baustellen
Stadt Verl

Wann, wo und wie lange? Hier finden Sie Informationen über aktuelle Verkehrsbaustellen im Stadtgebiet. So können Sie...

weiterlesen...
Rollator-Club trifft sich wieder am 26. April
Stadt Verl

Unter dem Motto „Bewegung ist die beste Medizin“ trifft sich regelmäßig an jedem 2. und 4. Freitag im Monat der...

weiterlesen...

Neueste Artikel

Neuralink: Problem mit erstem implantierten Gehirn-Chip
Aus aller Welt

Die Medizintechnik-Firma Neuralink von Elon Musk setzte im Januar erstmals einem Menschen ihren Gehirnchip ein. Erst jetzt wird bekannt, dass sich einige Elektroden wenig später vom Gehirn lösten.

weiterlesen...
«AlphaFold 3» sagt Struktur aller Moleküle des Lebens voraus
Aus aller Welt

Bislang war es langwierig herauszufinden, was Proteine genau machen. Doch das ändert sich mithilfe Künstlicher Intelligenz gerade rasant. Mit KI soll ein Durchbruch bei der Molekülforschung gelingen.

weiterlesen...

Weitere Artikel derselben Kategorie

Neuralink: Problem mit erstem implantierten Gehirn-Chip
Aus aller Welt

Die Medizintechnik-Firma Neuralink von Elon Musk setzte im Januar erstmals einem Menschen ihren Gehirnchip ein. Erst jetzt wird bekannt, dass sich einige Elektroden wenig später vom Gehirn lösten.

weiterlesen...
«AlphaFold 3» sagt Struktur aller Moleküle des Lebens voraus
Aus aller Welt

Bislang war es langwierig herauszufinden, was Proteine genau machen. Doch das ändert sich mithilfe Künstlicher Intelligenz gerade rasant. Mit KI soll ein Durchbruch bei der Molekülforschung gelingen.

weiterlesen...